Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
der Dunkelheit sind Otters knirschende Schritte zu hören. Es ist tröstlich, ihn in meinem Rücken zuwissen. Unsere Reise scheint außerhalb der Zeit stattzufinden, und ich weiß nicht, ob Stunden oder nur Minuten vergangen sind, als wir die Katakomben erreichen.
Die Diebe in der Wachstube müssen über unser Kommen Bescheid gewusst haben. Sie wirken nicht überrascht, als sie uns empfangen und Aidan mit abergläubischer Verwunderung beäugen, Otter dagegen mit einer Ehrerbietung begegnen, die mich erstaunt.
Wir dürfen passieren, und Twiss zerrt mich vor lauter Aufregung so unsanft den gewundenen Tunnel in Richtung der Haupthöhle entlang, dass ich mich von ihr losmache und sie vorlaufen lasse. Eilig quetscht sie sich an Aidan vorbei und stürmt auf die in der Ferne leuchtenden Öllampen zu.
Während ich ihr nachblicke, überkommt mich auf einmal eine seltsame Traurigkeit. Ich bleibe erschöpft stehen, um nicht aus Versehen gegen Aidan zu stolpern, der nur ein paar Schritte vor mir ist. Ich würde es nicht ertragen, wenn er vor meiner Berührung zurückweichen würde.
Otter legt mir eine Hand auf die Schulter und schiebt mich sanft weiter. Einen Moment später trete ich blinzelnd in das flackernde Licht, atme den vertrauten Gestank der Öllampen ein, zucke unter dem ohrenbetäubenden Lärm zusammen, der die Höhle erschüttert. Lautes Johlen, Freudenrufe und Triumphgeheul. Ich sehe, wie Twiss, von jubelnden Halblingen umringt, immer wieder in die Luft geworfen wird. Plötzlich nähert sich Herrin Floster, gefolgt von dem immer noch angeschlagen wirkenden Wolfshund. Als sie Twiss entdeckt, hält sie mitten im Schritt inne und steht einen Moment lang wie angewurzelt da. Dann läuft sie los, reißt das Mädchen in ihre Arme und wirbelt sie lachendund weinend im Kreis herum. Bis ihr Blick über die singenden Halblinge hinweg auf mich fällt. Sofort weicht alle Freude von ihrem Gesicht. Sie lässt Twiss auf den Boden zurücksinken und kommt mit ausholenden Schritten auf mich zu.
Ich seufze erschöpft. Ich habe heute schon genug gekämpft, aber mir bleibt wohl keine Wahl. Otter drückt meine Schulter, und als ich zu ihm aufschaue, bilde ich mir ein, so etwas wie Mitgefühl in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Dann lässt er die Hand sinken und zuckt mit den Schultern, als wolle er sagen: Wer sich den Befehlen widersetzt, muss dafür auch geradestehen. Die Jubelrufe und das fröhliche Geplapper werden leiser. Köpfe drehen sich um, während Floster sich mir nähert. Als sie nur einen Schritt von mir entfernt stehen bleibt und ihren Blick in meinen bohrt, herrscht in der Höhle atemlose Stille.
»Du kannst von großem Glück sagen, dass das Kind heil zurückgekommen ist«, zischt sie.
»Ich dachte, Ihr hättet der Liebe abgeschworen«, entgegne ich mit einem kurzen Blick auf Marcus, der warnend die Augenbrauen hochzieht. Aber um seine Mundwinkel zuckt es.
»Darum geht es nicht. Du hast dich meinen Befehlen widersetzt.«
»Doch, ich glaube, genau darum geht es.« Nach meinem Vater kann Floster mir keine Angst mehr einjagen. Jedenfalls fast nicht.
»Hier entscheide immer noch ich«, gibt Floster wütend zurück. »Und ich dulde keinen Ungehorsam. Du glaubst, nur weil du eine Magierin bist …«
»Nein!« Jetzt ist es an mir, wütend zu sein. »Das ist nicht wahr und das wisst Ihr. Ich habe Eure Anweisung missachtet, um das Leben des Menschen zu retten, den ich liebe.« Ich spüre, wie mein Gesicht heiß wird, und wage es nicht, in Aidans Richtung zu schauen. »Außerdem haben wir Benedicts Plan vereitelt, die Erschaffer zu vernichten. Wenn Ihr Euren Willen durchgesetzt hättet, wäre Benedicts Geisel jetzt einem schlimmeren Schicksal als dem Tod ausgeliefert und die gesamte Welt der Erschaffer stünde kurz vor der völligen Auslöschung.«
»Du hattest kein Recht, eigenmächtig das Leben meines Volkes aufs Spiel zu setzen!«
Ich hole zu einer aufgebrachten Erwiderung aus, starre sie dann aber einfach nur an. Es stimmt. Ich habe das Leben einer ganzen Gemeinschaft aufs Spiel gesetzt. Hatte ich das Recht dazu? Ich weiß es nicht.
»Vielleicht.« Ich schüttle den Kopf und fühle mich auf einmal unendlich verloren. »Vielleicht war es falsch. Aber ich konnte nicht anders. Ich musste es einfach versuchen. Weil ich Benedicts Tochter bin, sosehr ich mir auch wünsche, es wäre nicht so. Und weil ich mir sicher war, dass ich es schaffen kann, ihn aufzuhalten, und Ihr nichts unternommen habt. Ich musste gegen ihn
Weitere Kostenlose Bücher