Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Schlachtfeld, aus dem die ehemals mit wertvollen Büchern bestückten Regale wie geschwärzte Knochengerüste ragen. Ich werfe einen letzten Blick auf den Ort, an dem Swift dem Tod begegnet ist.
Der Briefbeschwerer steht auf dem Schreibtisch. Fast bin ich versucht, ihn mitzunehmen. Aber er trägt das Magier-Insigne meines Vaters und seinen Blutfleck. Das eine von einer unbestreitbaren Schönheit, das andere abgrundtief hässlich. Beides stößt mich ab. Nachdenklich starre ich auf die sich anmutig windenden Silberspiralen im Glas. Was ist das für eine seltsame Magie, die in dieser gläsernen Kugel steckt? Warum hat sie mit mir gesprochen? Wessen Stimme habe ich gehört? Falls ich sie mir nicht nur eingebildet habe.
Fast zehn Jahre sind vergangen, seit meine Schwester starb. Vielleicht lebt ihr Geist hier, so wie er auch in meinem Herzen lebt. Vielleicht war es ihre Stimme, die mich gewarnt hat. Es fällt mir schwer, es zu glauben, obwohl der Gedanke tröstlich ist, dass etwas von ihr an diesem Ort geblieben ist und darauf gewartet hat, Zeuge von Benedicts Niederlage zu werden. Aber selbst wenn tatsächlich etwas von ihr hier war, und sei es nur ein fernes Echo – es ist fort. Der Briefbeschwerer steht stumm und leblos auf demSchreibtisch meines Vaters, und ich kann mich nicht noch einmal dazu durchringen, ihn zu berühren.
Swift ist tot.
Ich konnte dich nicht retten, Schwester. Es tut mir leid.
Ich kehre dem Raum, dem Briefbeschwerer, meinen Erinnerungen von vergossenem und verleugnetem Blut den Rücken zu, nehme Twiss bei der Hand und gehe.
33
W ir wandern im Morgengrauen durch die Stadt. Das Magier-Viertel mit all seinen Steinpalästen und Marmortempeln liegt weit hinter uns. Rauchsäulen steigen zum Himmel auf. Asphodel wird vom flackernden Schein Dutzender Feuer erleuchtet. Es ist, als hätten die Himmel selbst hier eine Schlacht ausgetragen.
»Wie viele Tribute haben sich den Rebellen angeschlossen?«, frage ich Otter, während ich die in so kurzer Zeit angerichtete Zerstörung betrachte. Er lächelt grimmig und bettet die schlafende Twiss an seine andere Schulter. Aidan, der neben ihm hergeht, trägt immer noch seinen Lehrling auf dem Arm. Der Junge fängt an zu weinen, sobald jemand anderes versucht, ihn zu berühren, und obwohl Aidans Gesicht von einer Wunde an seinem Kopf blutüberströmt ist, schreitet er aufrecht und klaglos vorwärts. Aber der Erschaffer hat sich verändert. Mein Vater ist in seinen Geist eingedrungen. Ich würde ihm gern sagen, dass ich weiß, wie sich das anfühlt, aber Aidan meidet meinen Blick.
»Meine Armee ist nicht besonders groß«, antwortet Otter.»Aber bestens ausgebildet. Benedict ist ein guter Lehrmeister gewesen.« Diesmal lächelt er mich offen an, und ich muss an all die Jahre denken, die wir im Palast verbracht haben …
»Warum hast du mir nie etwas gesagt? Du wusstest doch bestimmt, dass ich für die Erkenntnissuchenden spioniert habe.«
»Dein Geist war so offen wie der Himmel über uns, Zara. Hätte Benedict auch nur den leisesten Verdacht geschöpft, er hätte wie in einem Buch darin lesen können. Dieses Risiko konnte ich einfach nicht eingehen, tut mir leid.«
Es tut ihm nicht wirklich leid. Er bedauert nicht einen Moment, was er getan hat. Noch nie ist mir jemand begegnet, der sich seiner so sicher ist.
Ich schaue an Otter vorbei und begegne Aidans Blick. Sofort wendet er den Kopf und verlagert das Gewicht des Jungen auf die andere Seite, sodass sein Körper zwischen uns ist. Es fühlt sich wie ein Hieb in den Magen an. Erschöpft schleppe ich mich weiter. Der Kampf mit Benedict hat mich so ausgezehrt, dass es mit jedem Schritt schwerer wird, meine Beine dazu zu bringen, sich zu bewegen.
Trotzdem ist es eine Erleichterung, sich auf etwas zu konzentrieren, das so einfach ist, wie einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als ich den Blick senke, stelle ich überrascht fest, dass meine Füße mit blutigen Schnitten übersät sind. Wenn ich lange genug bei den Dieben lebe, wird ihnen irgendwann eine Lederhaut wachsen. Wie Twiss und ihren Halblingen. Ich bin keine Magierin mehr. Ich weiß nicht, was ich stattdessen bin. Etwas Neues.
Ein paar Minuten später habe ich genügend Mut gesammelt,den Kopf zu heben und an dem weißblonden Schopf des Jungen vorbeizuschauen. Aidan sieht starr geradeaus, die Zähne fest zusammengebissen. Zwischen uns steht eine Glaswand, die es mir unmöglich macht, ihn zu erreichen.
Wir betreten den Bereich Asphodels, der
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