Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
kämpfen, sonst wäre ich nicht besser als er. Wenn Ihr das nicht versteht … nur zu, bestraft mich, es ist mir im Augenblick ehrlich gesagt gleichgültig.«
Vor meinen Augen beginnt alles zu verschwimmen. Flosters Gesicht schwingt langsam hin und her wie das Pendel der Großen Uhr. Ich blicke an ihr vorbei, halte suchend nach Aidan Ausschau.
Er betrachtet mich mit unleserlicher Miene. Der Junge,den er immer noch auf dem Arm hält und der sich staunend umschaut, scheint plötzlich etwas zu entdecken und fängt an, sich wie wild zu gebärden. Aidan setzt ihn ab, und als er sich anschließend wieder aufrichtet, sieht er mich erneut an. In seinen Augen liegt ein gehetzter Ausdruck – sehnsüchtig und zugleich voller Entsetzen. Mein Vater hat etwas in ihm zerstört. Ich weiß nicht, ob es je wieder heilen wird. Ich spüre, wie mein Herz bricht. Zumindest fühlt es sich genauso an, wie es in den Büchern beschrieben wird.
Otter stützt mich, als meine Knie unter mir nachgeben. »Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, Herrin«, sagt er leise, aber bestimmt.
Floster setzt zu einer wütenden Erwiderung an, als plötzlich ein fassungsloser Schrei das Gemurmel der Menge übertönt. Die Herrin der Diebe dreht sich mit großen Augen in die Richtung um, aus der der Ruf kam. Über ihre Schulter hinweg sehe ich, wie sich die Menge teilt.
Inmitten der zurückweichenden Diebe und Erkenntnissuchenden kniet Tabitha auf dem Boden und drückt Aidans Lehrling an sich. Der Junge hat die Arme um ihren Hals geschlungen, als würde er sich am Leben selbst festhalten, und wird von heftigen Schluchzern geschüttelt. Das Gesicht der Silberschmiedin ist dem nicht sichtbaren Himmel entgegengereckt und tränenüberströmt. Aus ihrem Mund dringen Laute, die wie das Wimmern eines verwundeten Tiers klingen.
Ich starre wie gebannt auf Tabithas goldene Haare, die auf den silbernen Schopf des Kindes fallen. Ihres Kindes.
Und plötzlich begreife ich. Oh ihr Götter. Welche Grausamkeit hat mein Vater diesmal begangen?
Benedicts Gräueltaten sind in die Seelen seiner zahllosen Opfer eingebrannt wie die sich windenden Spiralen seines Magier-Insignes in mein Gesicht.
Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis die anderen die Wahrheit erkennen. Wie lange die Silberschmiedin noch zu leben hat. Das Bild von Bruins zerschmettertem Körper taucht vor meinem inneren Auge auf und ich versuche, sie zu hassen. Aber dann schaue ich in ihr Gesicht, auf das Kind in ihren Armen, und kann es nicht.
Doch es gibt jemanden, der ihr niemals verzeihen wird. Besorgt suche ich in der Menge nach Twiss. Ich entdecke ihr spitzes Katzengesicht genau in dem Moment, in dem sich ihre Freude in Verwirrung verwandelt. Instinktiv will ich auf sie zulaufen, aber Otters Hand, die mich immer noch stützt, hält mich zurück.
Erschüttert beobachte ich, wie Twiss Tabitha und ihren Sohn anstarrt und anfängt zu begreifen, und flehe die Götter an, mich den entsetzten und schmerzerfüllten Ausdruck auf ihrem Gesicht so schnell wie möglich wieder vergessen zu lassen.
Die ersten »Verräterin!« -Rufe ertönen. Zunächst verhalten, dann immer wütender und lauter, bis die Rufe von den Höhlenmauern widerhallen wie das Heulen Beute witternder Wölfe. Tabithas Augen weiten sich panisch. Sie drückt den Jungen noch fester an sich und beugt sich schützend über ihn, als die ersten Steine auf Mutter und Kind niederhageln.
»Hört auf damit!«, schreie ich und will nach meiner Magie greifen, als Otter mich zu sich herumwirbelt.
»Nein.« Sein Blick zwingt mich, ihm zuzuhören. »Ich kümmere mich darum. Du bleibst hier und rührst dich nichtvon der Stelle, bevor sie auch noch über dich herfallen, verstanden?« Ohne eine Antwort abzuwarten, lässt er mich stehen und schiebt sich durch die Menge. Floster gibt Marcus ein Zeichen und der Wolfshund folgt ihm.
Unbeeindruckt von dem Dreckhagel, der auf ihn herabregnet, tritt Otter auf Tabitha zu und zieht sie sanft hoch. Das Wutgeheul gerät ins Stocken und verebbt langsam, als er und Marcus sie rechts und links am Arm fassen und gemeinsam mit ihrem Kind außer Sicht- und Reichweite jener führen, die die Silberschmiedin verraten hat.
Erneut hebt unwilliges Stimmengewirr an, das Floster mit einem gebieterischen Befehl zum Verstummen bringt. Ich zittere vor Entsetzen und Erschöpfung. Twiss drängt sich zwischen den Umstehenden hindurch und schießt wie ein Pfeil auf mich zu. Entschlossen packt sie den Griff von Bruins Schwert und
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