Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
abzuwägen, laufe ich über den Hof, flitze die Haupttreppe hinauf und haste an der Türwächterin vorbei in den Palast. Sie gestattet sich einen kurzen überraschten Blick, aber es ist allgemein bekannt, dass Benedicts Tochter sonderbar ist. Ein paar meiner Mitschüler haben mir erzählt, dass die Wahrscheinlichkeit,dass ich eines Tages wie meine Mutter für wahnsinnig erklärt werde, in den Wettstuben mit einer Quote von acht zu eins gehandelt wird. Vermutlich haben sie recht. Ich spioniere meinen Vater seit sieben Jahren aus, habe jedoch noch nie versucht, ihn zu belauschen. Vielleicht bin ich zu unbesonnen, um eine gute Spionin zu sein, aber dumm bin ich nicht. Normalerweise jedenfalls nicht.
Otter bringt den Erschaffer jetzt in diesem Moment zu Benedict, und ich muss unbedingt hören, was dort besprochen wird. Ich möchte wissen, warum mein Vater diesen Jungen zu sich hat bringen lassen. Und was er mit ihm vorhat.
Ich bin außer Atem und das Herz schlägt mir bis zum Hals. Vor Angst. Folglich kann ich nicht komplett verrückt sein. Als ich über die Hintertreppe den zweiten Stock erreicht habe, höre ich, wie der Erschaffer und seine Bewacher den Korridor in Richtung der Bibliothek entlangmarschieren, und laufe eilig in den dritten Stock weiter, wo ich einige kostbare Sekunden innehalte, verschnaufe und darauf warte, dass meine Vernunft wieder die Vorherrschaft übernimmt.
Sie tut es nicht. Also werde ich es tatsächlich machen. Mein Mund ist mit einem Mal wie ausgetrocknet und das Schlucken fällt mir schwer. Auf diesem Stockwerk befinden sich die Amtsstuben der Verwaltungs-Magier, allerdings müssten um diese Zeit alle schon gegangen sein. Der Raum des Ersten Amtsdieners befindet sich direkt über der Bibliothek meines Vaters. Er ist selbstverständlich abgeschlossen, aber es braucht nicht sonderlich viel Geisteskraft, um das Schloss davon zu überzeugen, sich zu öffnen.
Ich schlüpfe durch die Tür und bin froh über das kühle Mondlicht, das den Raum erfüllt. Es gibt keine Feuerstelle –so viel Komfort für Amtsdiener wäre nicht angemessen –, aber der gemauerte Rauchabzug des Kamins in der Bibliothek führt hier vorbei und nimmt fast eine gesamte Wand ein.
Ich wähle einen massiven Backstein aus, der zu allen vier Seiten in eine großzügige Lage Mörtel eingebettet ist, und beginne dann ganz behutsam, damit ein plötzliches Aufwallen magischer Energie nicht die Aufmerksamkeit meines Vaters auf sich zieht, den Mörtel aufzuweichen, indem ich der Luft etwas Feuchtigkeit entziehe.
Kleine Schweißperlen rinnen meinen Rücken hinunter, als ich es schließlich geschafft habe, den Stein herauszulösen und langsam zu Boden schweben zu lassen. Ich benutze ihn als Schemel und habe gerade meinen Kopf durch die Lücke geschoben, da legt sich mir etwas Weiches, Klebriges aufs Gesicht. Als ich erschrocken aufkeuche, atme ich einen Schwall Dreck und Ruß ein und fange an zu würgen.
Närrin! Ich habe nicht an die Spinnweben gedacht, die sich an den Kaminwänden über Jahrhunderte hinweg angesammelt haben. Schaudernd zucke ich zurück, wobei ich mir den Hinterkopf an der Öffnung stoße, dann reibe ich mir hektisch übers Gesicht und spucke angewidert das klebrige Zeug aus. Pestilenz, Pestilenz, Pestilenz!, fluche ich stumm vor mich hin und wünschte, ich würde kraftvollere Schimpfwörter kennen. Ich muss erst ein paarmal tief Luft holen, bevor ich den Ekel abgeschüttelt habe und es noch einmal versuchen kann.
Diesmal wische ich die Öffnung vorher mit dem Ärmel meiner Robe sauber und stecke dann den Kopf erneut hinein. Hitze schlägt mir entgegen. In der sich nach oben windenden Rauchsäule stieben immer wieder Funken auf, diewie winzige Sternschnuppen auf der Suche nach einem Weg zurück in den Himmel emporsteigen. Dann höre ich Stimmen. Es funktioniert! Das Kaminfeuer trägt die Worte meines Vaters zu mir.
»… weder dir noch deinesgleichen helfen, wenn du dich weigerst. Deine Anführer haben dich mir als Unterpfand zur Sicherung des geschlossenen Friedens gegeben, und ich erwarte von dir, dass du unsere Uhren reparierst und den Lehrling ausbildest, den ich dir zur Seite stelle. Man hat mir versichert, dass du trotz deiner Jugend der beste Uhrmacher unter den Erschaffern bist. Ich rate dir, deinem Ruf gerecht zu werden. Solltest du dich weiterhin widersetzen, wirst du bestraft werden. Du hast einen Tag und eine Nacht, um dich von der Reise zu erholen und einzugewöhnen. Danach hast du
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