Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Uhr. Seit ich denken kann, ist sie kaputt. Jede Nacht danke ich der Zeit, dass die Uhr in meiner Kammer noch tickt. Ein Schrein mit einer toten Uhr ist unheimlich.
»Sie wird bald wieder gehen.«
»Ich verstehe nicht.« Jahrelange Übung hat mich zu einer ausgezeichneten Lügnerin gemacht.
»Ich habe einen Erschaffer in die Stadt bringen lassen.«
»Einen Erschaffer!« Überraschung ist einfach zu heucheln. Gestern Abend habe ich den Jungen zwar mit eigenen Augen gesehen, aber heute Morgen scheint seine Anwesenheit im Palast genauso absurd zu sein, als hätte mein Vater verkündet, er hätte sich einen Drachen angeschafft und würde ihn im Hof halten, damit er dort Kakerlaken fängt.
»Er wird alle Uhren im Palast reparieren.«
»Aber … ein Erschaffer? Habt Ihr ihn gefangen genommen? Was ist mit …«
»Es ist dir nicht erlaubt, dich in seiner Nähe aufzuhalten oder mit ihm zu sprechen.«
»Oh …« Ich spüre, wie mir vor Schreck der Mund offen stehen bleibt. Benedict antwortet nie auf meine Fragen. Ich habe Glück, für meine anmaßende Neugier nicht bestraft zu werden. Achselzuckend klappe ich den Mund wieder zu, so als würde ich die Anweisung meines Vaters klaglos hinnehmen. Erneut spüre ich eine dunkle Energie in Benedicts Empfindungen. Er hat mir nicht den wahren Grund für die Anwesenheit des Jungen hier genannt.
»Natürlich, Vater. Wie Ihr wünscht.«
»Das ist alles.« Er beugt sich wieder über seine Arbeit und ich bin entlassen.
Ich flüchte aus der Bibliothek, statt jedoch meinen Weg in die Akademie fortzusetzen, kehre ich in meine Kammer zurück. So riskant es auch ist, aber ich muss dem Unterricht für den Rest des Vormittags fernbleiben und zum Markt, um die Diebin zu suchen. Ich habe Neuigkeiten für Twiss. Neuigkeiten für die Erkenntnissuchenden.
6
I n meiner Kammer angekommen, suche ich ein dunkles Tuch heraus, um meine Haare zu bedecken. Als ich noch kleiner war, war es einfacher, für die Erkenntnissuchenden zu spionieren, aber gegen meine Größe kann ich nichts ausrichten. Unter den Büchern in der Bibliothek meines Vaters gibt es Geschichten von Magiern, die so dumm waren, sich in der Kunst des Gestaltwandelns zu versuchen. Ein begabter Magier ist zwar durchaus in der Lage, die Struktur eines Lebewesens zu verändern, aber es endet meist tödlich. Diese Art von Magie wird im Krieg benutzt … oder von Henkern.
Ich ziehe die schlichte braune Robe an, die ich immer trage, wenn ich nicht auffallen möchte, und stecke das Tuch für später in eine Tasche. Es ist so lange her, seit ich etwas mitbekommen habe, das von Nutzen sein könnte. Mein Vater scheint mir von Jahr zu Jahr mehr zu misstrauen. Während ich durch die langen Korridore zum Hof husche, bete ich, dass ich Otter nicht begegne und keiner von den Beamten, an denen ich vorbeikomme, sich fragt, warum ich derart gekleidet und nicht in der Akademie bin.
Ich habe Glück, gelange unbehelligt aus dem Palast und haste bald ungeduldig durch die Straßen der Stadt. Als das geschäftige Treiben des Marktes an meine Ohren dringt, bleibe ich in einem Eingang stehen, um meine Haare unter dem Tuch zu verstecken. Natürlich verraten die Magier-Insignien auf meinen Wangen und meiner Stirn, was und wer ich bin – aber nur ein Höfling würde Benedicts Zeichen erkennen. Und meine Mutter ist schon seit Langem aus den offiziellen Aufzeichnungen gelöscht. Die meisten werden mich für eine der vielen Magier ohne Ahnen halten, die die Stadtstaaten auf der Suche nach Neuigkeiten durchstreifen.
Vor meinem inneren Auge blitzt immer wieder das Gesicht des Erschafferjungen auf und mein Herz schlägt wie nach einer beschwingten Melodie. Ich fühle mich wagemutig und unbesiegbar – was sowohl gefährlich als auch dumm ist. Als ich anfing, für die Erkenntnissuchenden zu spionieren, lebte ich in ständiger Todesangst. Aber mittlerweile sehne ich mich geradezu nach der Aufregung und der Gefahr und der grimmigen Genugtuung darüber, meinen Vater heimlich zu bekriegen.
Ich versuche, mir meine Eile nicht allzu sehr anmerken zu lassen, während ich mir einen Weg zwischen den Ständen der Händler hindurchbahne, die lautstark ihre Ware anpreisen: Kohl und Kartoffeln! Schöne dicke Kohlköpfe im Angebot! Köstlicher Lauch! Die letzten Winteräpfel – schlagt zu, bevor sie weg sind! Es ist ein harter Winter gewesen und selbst hier in Asphodel sieht man dem Vieh den Hunger an ihren ausgezehrten Gesichtern und tief liegenden Augen an. Köpfe
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