Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
wenden sich ab und Blicke werden gesenkt, als ich vorbeikomme. Swift hatmir erzählt, das Vieh würde glauben, es bringe Unglück, einem Magier in die Augen zu schauen. Es hat Monate gedauert, bis sie mir ohne Angst ins Gesicht sehen konnte.
Ich lasse den Lärm des Marktplatzes hinter mir und biege in eine Seitengasse, die in das Silberschmied-Viertel führt. Überall bröckelt der Putz von den ausgeblichenen rosa, blau oder ockerfarbenen Fassaden der kleinen Häuser; Zitronenbäume recken ihre runden Laubkronen hinter Gartenmauern hervor, aus Steinbrunnen spritzt kühles Wasser, und die Vorfrühlingssonne taucht alles in ihr gleißendes Licht und scheint direkt auf das hölzerne Werkstattschild der Silberschmiedin Tabitha.
Ich blicke mich noch einmal verstohlen nach allen Seiten um, um mich zu vergewissern, dass mich niemand beobachtet, bevor ich das niedrige Tor in der Mauer öffne und einen kleinen Hof betrete, wo mich ein schimpfendes Rotkehlchen empfängt, das in der leuchtend gelben Pracht einer spät blühenden Zaubernuss sitzt. Das Haus hat eine Eichentür, deren Holz mit den Jahren silbern gebleicht wurde. Ich öffne sie und trete in einen sonnendurchfluteten Raum, durch den helle Glockenschläge hallen. Tabitha ist über einen kleinen Kessel gebeugt und bearbeitet ihn emsig mit einem Hammer. Sie ist ganz in ihre Arbeit versunken und führt die Bewegungen so schnell aus, dass die Konturen des Hammers mir vor den Augen verschwimmen. Dabei klirrt und klappert es, als hätte sich in ihrer Werkstatt ein zwitschernder Vogelschwarm aus Metall niedergelassen. Wie immer, wenn ich herkomme, bin ich völlig verzaubert.
Als ich in ihr Blickfeld trete, bricht das Getöse schlagartig ab. Tabitha schaut auf und ihre hellgrauen Augen weitensich, als sie mich erkennt. Hastig steht sie auf und verbeugt sich.
»Bruin, der Hammerschmied.« Sie schaut starr zu Boden, während sie spricht. Ich weiß, dass sie mich nicht noch einmal ansehen wird. Ihre Furcht vor mir durchdringt den Raum wie übler Schwefelgeruch, obwohl Tabitha nun schon seit sechs Jahren meine erste Anlaufstelle ist, wenn ich Kontakt zu den Erkenntnissuchenden aufnehmen möchte.
»Danke«, sage ich und gehe.
Manchmal werde ich auf der Suche nach Twiss von Werkstatt zu Werkstatt und von Stand zu Stand geschickt. Twiss ist eine junge Diebin und die Mittlerin der Erkenntnissuchenden. Gut möglich, dass ich sie heute tatsächlich in der Schmiede finde, aber eine Garantie dafür gibt es nicht. Genauso gut könnte Twiss in diesem Moment auch von einem Verschwörer zum nächsten durch die Gassen flitzen und geheime Informationen weitergeben. Weit größeres Kopfzerbrechen bereitet mir allerdings, dass es beinahe zwölf Uhr mittags und damit Zeit für den Zählappell ist.
Jede Schmiede wird zweimal am Tag von Zählern kontrolliert, die das Eisen wiegen und sicherstellen, dass nichts davon abgezweigt wurde, um daraus heimlich Waffen zu schmieden. Twiss wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass sie nicht von ihnen gesehen wird. Wenn ich sie verpasse, muss ich bis morgen warten, um meine Informationen weiterzugeben – heute kann ich es nämlich auf keinen Fall riskieren, ein zweites Mal hierherzukommen.
Aber die Götter sind mir hold. Kaum habe ich die verräucherte Schmiede betreten, entdecke ich sie auch schon. Sie steht an der Esse und bedient den Blasebalg mit all der Kraft,die ihre dünnen Arme aufbringen. Die Diebin ist ein Mädchen mit dunkler Haut, kurz geschorenen schwarzen Haaren und einem katzenhaften Gesicht. Sie muss elf oder zwölf sein, sieht aber nicht älter aus als acht, und ist ihrem Handwerk entsprechend gekleidet: barfuß, eine zerlumpte Hose und ärmellose Tunika, die beide eng anliegen und von einem unauffälligen Grau sind, der Farbe der Schatten.
Wie immer, wenn sie an der Esse steht, glühen die Wangen der Diebin vor Vergnügen beinahe genauso rot wie die Kohle, die sie befeuert. Der Schmied Bruin ist einer der Anführer der Erkenntnissuchenden – ein Mann mit grimmigem Blick und einer Seele aus Feuer und Eisen. Niemand, von dem ich gedacht hätte, dass ein kleines Kind Zutrauen zu ihm fasst. Aber über die Jahre konnte ich beobachten, wie zwischen dem ungleichen Paar eine tiefe Freundschaft entstanden ist.
Twiss verfolgt mit kindlicher Bewunderung jeden Handgriff des Schmieds, der sie um Längen überragt und ganz aus struppigem schwarzen Bart und speckig glänzender Lederschürze zu bestehen scheint. Mit seinen mächtigen nackten
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