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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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wehmütig. Das Lächeln bringt seine Züge auf eine Weise zum Leuchten, die mir den Atem stocken lässt, und ich wende hastig den Kopf ab, als ich spüre, wie ich erröte.
    Doch bei seinem nächsten Satz schaue ich erstaunt auf.
    »Ich bin ein Tribut.«
    Das Mondlicht, das Aidan umgibt, scheint zu flimmern, als er das Wort ausspricht. Der Erschaffer vor mir löst sich auf und an seiner Stelle sehe ich plötzlich eine kleine Gestalt mit Haaren so dunkel wie die Schwingen eines Vogels. Einen Kopf, der sich mir langsam zudreht, ein blasses, leuchtendes Gesicht, dunkle Augen, deren Blick sich hebt.
    Das Trugbild zerfällt und gleitet davon wie herabgefallenes Laub auf einem Fluss. Ich starre Aidan an und mein Herz stolpert im schweren, stockenden Takt des alten Schmerzes.
    »Was ist?« Der Erschaffer sieht mich an und sein Blick ist mit einem Mal wachsam.
    »Du hast ›Tribut‹ gesagt.« Meine Stimme klingt heiser. Habe ich sie gerade eben wirklich gesehen? Hat mir mein Verstand einen Streich gespielt – oder war es etwa Swifts Geist?
    »Ja. Das ist unser Wort für Geisel«, entgegnet Aidan. »Denn genau das bin ich. Warum?«
    »Hier bedeutet es etwas anderes«, antworte ich zögernd und immer noch leicht benommen. »Ein Tribut ist ein Sklave.«
    Soll ich es ihm sagen? Seinen Hass auf die Magier noch vergrößern? Auf die Dämonen. Was wird er von uns – von mir – denken, wenn er die Wahrheit kennt? Aber ich habe keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass er es verstehen wird.
    »Jede nichtmagische Familie«, beginne ich, »muss uns – den Magiern – ihr Erstgeborenes überlassen, sobald es fünf Jahre alt wird. Es ist eine Abgabe, die das Vieh seinen Lehnsherren bezahlt, eine Leibsteuer, die uns unentgeltliche Arbeitskräfteliefert. Aber sie schützt uns auch vor Aufständen, schließlich haben wir ihre Kinder.«
    Ich sehe das Entsetzen in seinem Gesicht und alles in mir wehrt sich dagegen, weiterzusprechen. Aber ich muss ihm die ganze Wahrheit sagen, das bin ich Swift schuldig, außerdem ist es vielleicht die einzige Möglichkeit, endlich zu diesem Jungen durchzudringen – ihm begreiflich zu machen, dass es in dieser Sache nicht nur um ihn geht.
    »Jeden Herbst«, fahre ich fort, »wird eine neue Saat Kinder geerntet und als Diener in unsere Häuser geschickt. Im Alter von zwölf Jahren müssen die meisten von ihnen der Tribut-Armee beitreten, um am Großen Wall gegen eure Armee zu kämpfen und dort zu sterben. Einige der Fünfjährigen erhalten eine spezielle Ausbildung und werden zu Wächtern herangezogen. Sie sind für die Bewachung der Stadt zuständig und übernehmen leitende Positionen in der Tribut-Armee. Jeder Erzmagier wählt sich aus diesen Wächtern einen aus, der sein Hüter wird – sein Diener, sein Schutzschild, sein Auftragsmörder. Der Geist der Wächter und Hüter wird … gesäubert … sodass sie ihrem jeweiligen Herrn bedingungslos ergeben sind.«
    Aidan starrt mich fassungslos an. Nicht einmal das schwache Mondlicht kann den Schock und den Abscheu mildern, die sich auf seinem Gesicht widerspiegeln.
    »Nicht jeder von uns ist damit einverstanden!«, stoße ich leise hervor. »Ich bin es nicht!«
    Er schluckt und seine Miene nimmt einen weicheren Ausdruck an. »Wegen deiner Mutter?«
    »Auch. Aber …« Bis auf das eine Mal mit Gerontius habe ich noch nie mit jemandem über Swift gesprochen – undauch ihm habe ich nie wirklich von ihr erzählt: Es tut zu weh. Doch jetzt muss ich es tun, damit der Erschaffer versteht, worum es geht. Ich atme tief ein, bevor ich fortfahre. »An meinem fünften Geburtstag habe ich von meinem Vater ein Tribut-Kind geschenkt bekommen. Als meine persönliche Dienerin. Ich habe sie geliebt. Sie war wie eine Schwester für mich. Sie starb. Sie wurde getötet.«
    Der Schmerz verschlägt mir die Sprache. Tränen rinnen über mein Gesicht.
    Ich fühle, wie das Entsetzen in Aidans Seele zärtlichem Mitgefühl weicht. Sanft wischt er meine Tränen fort, und wo seine Finger meine Haut berühren, hinterlassen sie eine prickelnde Spur der Wärme. »Es tut mir leid, dass sie dir genommen wurde«, sagt er mit leiser und aufrichtiger Anteilnahme. »Wie hieß sie?«
    »Ita. Ich habe sie Swift genannt.«
    »Wer hat sie getötet?«
    Ich sehe ihn an, öffne den Mund zu einer Erwiderung und schüttle dann den Kopf. Ich kann ihm nicht sagen, wer ich bin – dass ich Benedicts Tochter bin, die Tochter von Swifts Mörder. Und auf einmal brechen

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