Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
Erschöpfung macht sich in mir breit. Ich nicke. Dann trete ich aus der Zelle, schließe die Tür hinter mir, verriegle sie und lasse ihn allein im Dunkeln zurück.
9
E s vergehen Tage, bevor ich ihn wiedersehe. Tage, in denen ich Otter aus dem Weg gehe, vor meinen Tutoren die gehorsame Meisterschülerin spiele und meinem Vater keinerlei Anlass zur Klage gebe. Ich wage es nicht, noch einmal zum Gefängnis zurückzukehren. Es ist das Risiko nicht wert – Aidan hat mir alles gesagt, was er weiß, und es ist trotzdem nicht genug. Zumindest nicht genug, um den Erkenntnissuchenden weiterzuhelfen. Ich habe den Auftrag, den Bruin mir erteilt hat, nicht erfüllt. Und was den Erschafferjungen betrifft, so kann ich nur hoffen, dass sein Selbsterhaltungstrieb ihn schließlich von seiner wagemutigen Weigerung, unsere Uhren zu reparieren, abbringt. Ihm wird nichts anderes übrig bleiben, denn er ist dem Erzmagier nun auf Gedeih und Verderben ausgeliefert, auch wenn ihm das noch nicht bewusst ist.
Mit jedem Tag, an dem ich den Erschaffer nicht sehe und keine Neuigkeiten von ihm habe, wird der Schmerz in meinem Herzen unerträglicher. Warum bloß? Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt mag. Aber seinGesicht mit diesen strahlend blauen Augen, die mich verletzt und gleichzeitig zornig anfunkeln, verfolgt mich in meinen Tag- und Nachtträumen.
Ich stehe viel zu früh auf und kleide mich in dem kalten, klaren Licht an, das mein Fenster jeden Morgen etwas früher findet. Der Frühling ist schließlich doch gekommen. Meine weiße Schulrobe eignet sich eigentlich nicht fürs Spionieren, aber die anderen Palastbewohner nehmen mich ohnehin kaum wahr. Egal ob ranghoher Großmeister oder niedriger Verwaltungsbeamter – für sie bin ich nichts weiter als Benedicts sonderbare Tochter. In den Stunden, bevor der Unterricht beginnt, wandere ich beinahe unbemerkt durch die Korridore, lausche Gerüchten und halte Augen und Ohren nach dem Erschaffer offen.
Eine ganze Woche vergeht, ohne dass meine Bemühungen belohnt werden. Bis ich eines Tages den marmornen Treppenaufgang hinunterlaufe, der sich wie ein gewundenes Rückgrat von Balustrade zu Balustrade durch den Palast meines Vaters in die Höhe schraubt, und weiter unten einen Blick auf eine scharlachrote Weste und kurze blonde Haare erhasche. Vor Überraschung verwandeln sich meine Knie in Butter, und ich muss mich am Geländer festklammern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während ich beobachte, wie er um eine Ecke verschwindet. Otter geht direkt hinter dem Erschaffer, seine massige Gestalt versperrt mir viel zu schnell die Sicht auf Aidan.
Ich zwinge meine Beine, ihren Dienst wiederaufzunehmen, und husche ihnen lautlos hinterher. Folge dem Stampfen ihrer den Korridor entlangmarschierender Stiefel, dasmich über die Dienstbotentreppe im hinteren Teil des Gebäudes zum Dachboden hinaufführt.
Otter hinterherzuspionieren macht mir beinahe genauso viel Angst, wie meinen Vater zu belauschen, weshalb ich darauf achte, außer Sichtweite zu bleiben. Als ich die Tür zum obersten Stockwerk öffne und um die Ecke spähe, sehe ich nichts als einen verwaisten Flur, von dem eine Reihe unscheinbarer Türen abgehen, hinter denen sich vermutlich Lagerräume befinden. Genau weiß ich es nicht, weil es das erste Mal ist, dass ich einen Grund habe, hierherzukommen. Was hat Otter hier oben mit dem Erschafferjungen vor? Sie müssen in einem der Räume verschwunden sein. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Ich will mich gerade auf die Suche nach ihnen machen, als ich plötzlich etwas höre. Auf halbem Weg den Flur hinunter öffnet sich eine der Türen und eine Tribut-Wächterin kommt heraus. Sie schließt die Tür so leise, als hätte sie etwas zu verbergen, und dreht sich dann in meine Richtung. Ich weiche so hastig zurück, dass ich beinahe auf den Hintern falle. Hat sie mich gesehen?
Halb verrückt vor Angst, sammle ich meine Magie und eile – halb fliegend, halb gleitend – die Stufen hinunter, folge der sich windenden Treppe in das darunterliegende Stockwerk und kauere mich dort mit panisch klopfendem Herzen in eine Nische. Was, wenn die Tributin ausgerechnet hierhinmöchte?
Das regelmäßige Trampeln ihrer Stiefel dringt näher und näher, während sie die Stufen hinuntergeht. Ich halte den Atem an und spüre, wie eine Welle der Erleichterung mich durchflutet, als die Schritte vorbeimarschieren, ohne ihrenRhythmus zu verändern. Stirnrunzelnd lausche ich noch
Weitere Kostenlose Bücher