Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
sämtliche Dämme und ich fange wirklich an zu weinen, werde von heftigen Schluchzern geschüttelt, die sich anfühlen, als würden sie mich in Stücke reißen.
»Oh Mist! Nicht weinen … bitte …« Wäre ich nicht so verzweifelt, würde mich die Panik in seiner Stimme wahrscheinlich zum Lachen bringen.
»Falls das ein Trick ist …« Er stöhnt und schüttelt kapitulierend den Kopf. »Okay … aber versteh das jetzt bloß nicht falsch, in Ordnung?«
Zögernd nimmt er mich in den Arm und hält mich ungeschickt fest. Nach einer kleinen Weile entspannt er sich und zieht mich noch ein bisschen enger an sich. Er riecht nach Schweiß – nach Jungen- und Pferdeschweiß – und er presst mich zu fest an sich. Doch seine Nähe ist mir nicht unangenehm und löst nicht die erwartete Wut in mir aus, sondern entfacht einen heftigen, aber süßen Schmerz in meiner Brust.
Mein Kummer verebbt. Ich lehne zitternd an seiner Schulter, während mein Körper langsam zur Ruhe kommt, und denke: Wie seltsam, dass der erste Mensch nach Swift, der mich im Arm hält, ausgerechnet ein Erschaffer ist.
Um uns herum herrscht vollkommene Stille und Frieden, als ich mich wieder aufsetze und ihm in die Augen sehe. Sofort lässt er die Arme sinken und rückt ein Stück von mir ab. Das Gefühl, das mich daraufhin überkommt, erschreckt mich. Es ist, als wäre mir etwas weggenommen worden.
Der wachsame Ausdruck kehrt in seinen Blick zurück. Der Zweifel ist immer noch da. Kann er mir denn gar nicht vertrauen?
»Tut mir leid.« Ich räuspere mich. »Ich weine so gut wie nie. Aber normalerweise spreche ich auch nicht über sie.«
»Schon in Ordnung.« Aidan wirkt sogar noch betretener als vorher und plötzlich habe ich das Gefühl, zu groß für meine Haut zu sein, nur aus spitzen Ellbogen, Knien und lächerlich langen Beinen zu bestehen. Ich schlinge die Arme um mich.
»Du hast gesagt, dass du dem Erzmagier als Geisel übergeben wurdest?« Ich lasse meine Stimme nüchtern und sachlich klingen.
»Ja.« Er zuckt mit den Achseln.
»Aber … das bedeutet, dass es wirklich so etwas wie eine Verhandlung zwischen Benedict und deinen Leuten gegeben hat.«
»Es gab eine Verhandlung. Der Erzmagier hat ein Friedensgesuch gestellt. Im Moment herrscht also Waffenstillstand. Sagt jedenfalls Benedict, und mein Vater glaubt ihm. Unsere Spione haben berichtet, dass eure Armee sich in die Lager ein paar Meilen vom Wall entfernt zurückgezogen hat.«
»Ich würde so gern glauben, dass es diesen Frieden wirklich gibt, aber ich bin mir sicher, dass etwas anderes dahintersteckt, ich weiß nur nicht, was.« Ich schüttle niedergeschlagen den Kopf und suche vergeblich nach einer Erklärung. »Der Erzmagier hasst die Erschaffer. Jeder Magier fürchtet, dass das Vie… dass die Nichtmagier eines Tages eine Rebellion anzetteln, so wie sie es auf eurer Seite des Walls getan haben. Ein Waffenstillstand wäre politischer Selbstmord.«
»Ich glaube auch nicht daran.« In seinen Augen liegt all der Schmerz darüber, verraten worden zu sein. Ich erhasche einen kurzen Blick auf den Jungen, der er einmal war, der eine behütete Kindheit hatte, in der er geliebt wurde.
Im nächsten Moment zuckt Aidan wieder mit den Achseln und verzieht verächtlich das Gesicht. Wird wieder zu dem jungen Mann, der er heute ist. »Ich habe ihnen gleich gesagt, dass es eine Falle ist. Aber mein Vater wollte mir nicht glauben. Jede Familie in Gengst hat am Wall jemanden verloren. Seit Generationen stecken wir in diesem Magier-Krieg fest. Diejenigen, die eigentlich die Zukunft gestalten sollten, sterben im Kampf gegen dein Geschlecht.Aber meinem Vater ist der Frieden wichtiger, als Magier zu töten. Und der Rat war der Meinung, dass es nicht viel zu verlieren gibt. Nur einen Uhrmacherlehrling.« Aidan seufzt gequält auf. »Für meinen Vater war es natürlich eine schwere Entscheidung. Er hat den Sohn geopfert, den er ausgebildet hat, um die Familientradition fortzuführen, aber wenigstens hat er seine politische Karriere gesichert. Er wird bis zum Ende seiner Tage Oberster Ratsherr bleiben. Ganz gleich, ob ich lebe oder sterbe, er wird immer der Mann sein, der seinen Sohn dem Wohle der Stadt geopfert hat.«
Er sitzt zusammengesunken auf der Pritsche, die Lippen eine dünne weiße Linie, der Blick leidvoll und bitter. Ich weiß, dass er all diejenigen vor sich sieht, von denen er in seiner Kindheit Abschied nehmen musste. Es gibt nichts, das ich sagen kann. Keinen Trost, den ich spenden
Weitere Kostenlose Bücher