Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
der Erzmagier nicht sowieso schon weiß.«
Seine leuchtend blauen Augen verengen sich, sein Blick wird nachdenklich. Er ist nicht wie ich: Er trifft keine voreiligen Entscheidungen.
»Falls es tatsächlich so ist, wie du behauptest, und du dein Leben riskierst«, erwidert er schließlich, »warum tust du es dann? Um deinem Feind zu helfen? Das glaube ich nicht. Was hast du davon?«
»Ich habe es dir gesagt. Meine Mutter …«
»Hat ihr Leben geopfert. Ja, das sagtest du.« Der Hass in seinen Augen hat sich etwas gemildert, aber er ist nach wie vor misstrauisch.
Und da ist noch ein anderes Gefühl, das er mühsam zu beherrschen versucht. Abgesehen natürlich von Wut – immerhin wurde er von seinen eigenen Leuten als Sklave verhökert –, aber darunter, tief vergraben, verbirgt sich eine unendliche Traurigkeit. Dieser Erschaffer hat alle verloren, die er liebte. Er ist ganz allein. Ich wehre mich vergeblich dagegen, seinen Schmerz zu fühlen. Manche Menschenkann ich fast gar nicht lesen, aber zu anderen scheine ich eine direkte Verbindung zu haben. Ich kann ihre Emotionen nachempfinden, als wären es meine eigenen. Bei Swift war es so, und bei diesem Jungen hier ist es nicht anders.
»Ich habe ebenfalls Menschen verloren, die mir wichtig waren. Alle. Deswegen …« Mir gehen die Worte aus. Ich erreiche ihn nicht. Ich habe versagt.
Mein Blick verschwimmt. Ich unterdrücke ein Schluchzen und wische mir wütend mit dem Handrücken über die Nase. Wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Ich kann diesen Jungen nicht retten. Seit Jahren schon spiele ich bloß eine Rolle, wie ein Kind, das sich trotzig weigert, erwachsen zu werden, und sich einbildet, die Welt ändern zu können.
Ich will keine Magierin sein! Ich will nicht über die Macht verfügen, mit meinem Geist töten zu können. Ich will kein Tribut-Kind, will kein Leid mehr. Ich will nicht, dass Swift umsonst gestorben ist … und doch muss ich mir wohl eingestehen, dass es so ist. Benedict hat sie getötet. Er hat meine Mutter getötet. Wahrscheinlich wird er eines Tages auch mich töten. Nichts geschieht, nur weil man es will, ganz gleich, wie sehr man es sich wünscht. Die Erkenntnissuchenden werden die Magier nie besiegen. Ich bin eine Närrin gewesen.
»Es tut mir leid.« Mehr gibt es nicht zu sagen. Alles ist umsonst gewesen. Ich wende mich zum Gehen.
Er ist mutig und berührt mich ein zweites Mal, hält mich am Arm fest und dreht mich sanft zu sich um. Und ganz allein dieser verblüffenden Sanftheit – und dem veränderten Ausdruck in seinen Augen – hat er es zu verdanken, dass ichihn nicht quer durch den Raum schleudere, weil er es erneut gewagt hat, mich anzufassen.
Der Erschafferjunge steht so dicht vor mir, dass unsere Körper sich beinahe berühren. Mein Herz pocht so heftig gegen meine Rippen, dass es beinahe wehtut. Mein Magier-Licht flackert und erlischt, aber der durch das vergitterte Fenster fallende Mondschein ist hell genug.
Behutsam hebt der Erschaffer eine Hand und lässt das Tuch von meinem Kopf gleiten. Sein Blick folgt der Bewegung meiner Haare, als sie mir über die Schultern fallen, und wandert weiter zu meinem Gesicht und den Zeichen auf meiner Stirn und meinen Wangen. In seinen angespannten Zügen spiegelt sich eine zaghafte Hoffnung wider, als er mich so eindringlich betrachtet, und sein ganzer Körper versteift sich vor Anstrengung, sich ihr nicht zu ergeben. »Wer bist du? Wie heißt du?«
Ich bin immer noch eine Närrin, denn ich antworte: »Zara.«
»Ich bin Aidan«, erwidert er. »Sohn des Uhrmachers Fergal. Wirst du mir helfen, Zara? Wirst du mir helfen, nach Hause zurückzukehren?«
8
W ir sitzen nebeneinander auf der schmalen Pritsche im Dunkeln und er erzählt mir flüsternd seine Geschichte.
»Sie haben meinen Bruder Donal geschickt, um mich zu suchen.« Der Mond verblasst allmählich, aber er spendet immer noch genügend Licht, um mich sehen zu lassen, wie sich seine Stirn runzelt. »Donal ist Soldat.« Aidan zuckt mit den Achseln. »Ich bin in die Fußstapfen meines Vaters getreten, weil ich handwerkliches Geschick habe und Mutter nicht wollte, dass ich in den Krieg ziehe. Ich bin zwar immer noch ein Lehrling, aber schon jetzt der beste Uhrmacher der Stadt.« Es klingt nicht stolz, sondern eher so, als hätte er eine Verwünschung ausgestoßen. »Ich will kein Uhrmacher sein! Ich will neue Maschinen erfinden.«
Er wirft mir unter zusammengezogenen Brauen einen schnellen Blick zu und lächelt dann
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