Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
aber ihre Füße rühren sich nicht von der Stelle.
Wie kann ich sie nur überzeugen? Schließlich hole ich tief Luft. »Ich mache dir einen Vorschlag.«
Die Diebin funkelt mich misstrauisch an.
»Ich werde mit meinem Geist nach Bruin suchen, um herauszufinden, ob er noch lebt. Aber dazu muss ich meinen Körper verlassen und ihn so lange deiner Obhut anvertrauen. Dir ist hoffentlich klar, dass ich damit mein Leben in deine Hände lege?«
»Findet ihn!«
»Was ich vorhabe, ist gefährlich. Ich könnte entdeckt werden.«
»Dann seid gefälligst vorsichtig!«
Seufzend hebe ich den Fesselungsbann auf und gebe die Diebin wieder frei. »Na schön.«
Ich lege mich aufs Bett und blicke zu den Marmorintarsien an der Decke auf, versuche die Kälte in meiner Kammer zu ignorieren und mich zu sammeln. Ich mag es nicht, meinen Körper zu verlassen. Es besteht immer die Gefahr, dass mein Bewusstsein sich unterwegs verirrt und nie wieder zurückfindet. Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite, schließe die Augen und konzentriere mich.
Der Bewusstseinsfaden, den ich entsende, schwebt überraschend mühelos aus mir heraus und hält einen Augenblick inne, um meinen auf dem Bett liegenden Körper zu betrachten, der von einem stirnrunzelnden, schmutzigen Mädchen bewacht wird. Ich lenke meine Gedanken auf meine Erinnerungen an Bruin und schicke meinen Geist in Richtung des Kerkers. Falls der Schmied noch am Leben ist, werde ich ihn bestimmt in einer der Zellen finden.
Aber dort ist er nicht. Das hatte ich befürchtet. Wahrscheinlich ist Bruin bereits tot. Tiefe Traurigkeit steigt in mir auf, doch ich unterdrücke das Gefühl sofort wieder. Es würde mich ablenken und genau das kann ich mir im Augenblicknicht erlauben. Außerdem will ich nicht daran denken, wie sehr ich ihn gemocht und bewundert habe, wenn ich mich nun in die Folterkammern begeben und dort nach ihm suchen muss. Ich verknüpfe den Geistfaden noch fester mit meinem Körper und lasse ihn zu einem zarten Gedankengespinst werden, der durch Raum, Luft und Stein in das dunkle, stickige Verlies gleitet.
In diesem hauchdünn gesponnenen Bewusstseinsfaden ist kein Platz für Empfindungen; nur so schaffe ich es, den Anblick, der sich mir dort bietet, beinahe völlig teilnahmslos über mich ergehen zu lassen. Als ich Bruin schließlich gefunden habe … das, was von ihm übrig ist … kehre ich zur Diebin zurück.
Ich richte mich so ruckartig auf und zittere so heftig, dass das Bett unter mir bebt. Mein Herz rast und ich schnappe wie eine Ertrinkende nach Luft. Es liegt nicht nur an der Anstrengung, meinen Körper verlassen zu haben. Mein Bewusstsein und mein Geist sind nicht länger von meinem Körper abgekoppelt und mein Kopf füllt sich mit dem, was ich gesehen habe – Bilder, die schlimmer sind als alles, was ich mir jemals hätte vorstellen können. Es kostet mich meine ganze Willenskraft, mich nicht zu übergeben.
Schließlich beiße ich meine klappernden Zähne zusammen und sehe Twiss an. Jeder Versuch, ihr die Nachricht behutsam beizubringen, wäre vergebens, und dieses Mädchen würde sowieso nicht wissen, was es mit Behutsamkeit anfangen soll.
»Er ist tot.«
Die Diebin schaut mich verständnislos an.
»Ich habe ihn mit meinem Geist berührt.« Ich spreche dieWorte langsam aus, lasse ihr Zeit, es zu begreifen. »Es ist kein Leben mehr in ihm.«
Twiss schlingt die Arme um ihren Oberkörper und ihre Züge verzerren sich, als sie gegen die Tränen ankämpft. »Ihr lügt! Ich würde es wissen, wenn er tot wäre. Ich würde es fühlen … ich würde …«
Ich wende den Blick ab. Der ohnmächtige Schmerz, der sich im Gesicht des Mädchens widerspiegelt, ist mehr, als ich ertragen kann.
»Was haben sie mit ihm gemacht?«, fragt Twiss fast unhörbar.
»Das kann ich dir nicht sagen.« Ich unterdrücke ein Schaudern. »Er ist tot und leidet jetzt nicht mehr. Du hast für deinen Freund getan, was du konntest. Und jetzt bring mich hier raus und nimm mich mit zu deinen Leuten.«
»Nein!« Twiss schlägt die Hände vors Gesicht und sinkt auf die Knie. Von heftigen Schluchzern geschüttelt, schaukelt sie verzweifelt vor und zurück, bis die Luft ganz und gar von ihrem Leid und ihrem Kummer durchdrungen ist.
Als ich mich vorbeuge und ihr sanft eine Hand auf die Schulter lege, macht sie sich ungestüm los, rappelt sich wieder auf und sieht mich hasserfüllt an.
»Ihr seid genau wie die anderen Magier«, stößt sie hervor. »Ihr verdient es zu sterben! Ich
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