Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
echte Angst. Mir wird schlecht, als ich sie sehe.
»Hat er irgendetwas darüber gesagt, was er vorhat?«
Aidan schüttelt den Kopf. Seine Lippen sind zu einer dünnen Linie zusammengepresst.
»Dann halte weiter deine Augen und Ohren offen und warte. Die Erkenntnissuchenden werden einen Weg finden, dich hier herauszuholen.«
»Erkenntnissuchende? Wer sind diese Leute?«
»Rebellen. Ich spioniere für sie, seit ich zehn bin. Es sind einfache Leute, zumeist Handwerker, die nicht länger als Sklaven schuften wollen. Ihr größter Wunsch ist es, Maschinen zu bauen, lesen und schreiben zu lernen. Wissen zu erwerben. Sie suchen nach Erkenntnis, weil Erkenntnis Freiheit bedeutet. Und vor allem wollen sie genau wie ich die Tribut-Steuer abschaffen.«
»Das werden die Magier nie zulassen!«
»Die Rebellen wissen, dass sie für ihre Freiheit kämpfen müssen. So wie ihr damals. Ihr habt gewonnen. Deswegen hassen und fürchten die Magier die Erschaffer.« Ich flüstere und meine Hände sind kalt und klamm. Aidan hat noch nicht einmal ansatzweise eine Ahnung davon, wie gefährlichdiese Worte für uns beide sind. »Du darfst die Erkenntnissuchenden niemals erwähnen, hast du gehört? Wenn der Erzmagier ahnt, dass du …«
»Keine Sorge!« Erneut verdunkelt Angst seinen Blick. »Ich werde kein Sterbenswort verraten. Und der Kleine hier kann nichts sagen. Aber richte deinen Erkenntnissuchenden aus, dass ich nicht ohne den Jungen gehe.«
»Das habe ich dir doch versprochen, schon vergessen? Wann fängst du endlich an, mir zu vertrauen?«
Er sieht mich eine Weile schweigend an, dann berührt er das Magier-Insigne auf meiner rechten Wange, das Zeichen meiner Mutter, und folgt seinen Linien mit den Fingerspitzen.
»Die Magier fürchten uns vielleicht, aber wir Erschaffer glauben, dass ihr Dämonen seid.« Er lächelt. »Ich hätte nie gedacht, dass ein Dämon so schön sein kann.«
12
E s gibt ein Spiel, das die Straßenkinder von Asphodel spielen, bei dem sie sich gegenseitig einen Ball zukicken, der aus einer Ziegenblase gemacht und mit Luft gefüllt ist. Die Atmosphäre im Palast fühlt sich an wie einer dieser Bälle, der kurz davor ist zu platzen. Bald wird etwas geschehen. Wenn ich nur wüsste, was. Ich kann nicht aufhören, an Aidan zu denken, wage es jedoch nicht, ihn noch einmal aufzusuchen, denn Otter hat seit Kurzem ein wachsames Auge auf mich, und ich habe Angst, er könnte irgendwie herausbekommen haben, dass es mir erneut gelungen ist, mit dem Erschaffer zu sprechen. Und dass er es meinem Vater erzählt hat.
Jeden Morgen, wenn ich den Palast verlasse, um in die Akademie zu gehen, heftet sich mir ein Wächter an die Fersen und verfolgt jeden meiner Schritte. Ich kann mich noch nicht einmal heimlich auf den Markt stehlen, um die Erkenntnissuchenden davor zu warnen, dass sich irgendein Unheil zusammenbraut. Mir bleibt nichts anderes übrig, als weiter meinen Pflichten als Meisterschülerin nachzukommen,auf eine günstige Gelegenheit zu warten und zu hoffen, dass ich mich irre.
Swift sucht mich in meinen Träumen heim, genau wie Aidan und sein Lehrling. Mit jedem Tag, der vergeht, ohne dass ich zu den Erkenntnissuchenden Kontakt aufnehmen kann, wächst meine Sorge, der Erschaffer könnte erneut denken, dass ich mein Versprechen und ihn vergessen habe. Dabei denke ich an nichts anderes mehr und die Träume werden zu Albträumen.
Bis ich schließlich eines Nachts aufwache, weil sich mir eine Hand auf den Mund presst. Mein erster Gedanke ist, dass meine Schutzmagie versagt hat und ich sie verstärken muss. Der zweite, dass ich noch nie jemanden getötet habe und auch nicht das geringste Verlangen habe, jetzt damit anzufangen. Ich verdichte die Luft über mir zu einem Schild und benutze eine weitere Luftschicht, um den Angreifer abzuwehren. Die Hand löst sich von meinem Mund, und ich höre, wie der Eindringling zu Boden geschleudert wird.
Hastig setze ich mich im Bett auf, entzünde eine kleine Flamme in meiner rechten Handfläche und richte sie auf den ungebetenen Gast. Ein Magier ist es jedenfalls nicht. Ist es Aidan irgendwie gelungen, aus seiner Gefängniszelle auszubrechen? Wenn ja, nimmt er ein ungeheures Risiko auf sich. Ich halte das Licht noch ein bisschen näher an die sich stöhnend aufrappelnde Gestalt.
»Twiss!«
Ich sehe, wie sie nickt, als ich leise ihren Namen zische. Einen Moment lang bin ich so verärgert, dass ich keinen vernünftigen Gedanken fassen kann – hält Twiss mich wirklichfür
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