Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
nehme Euch nirgendwohin mit.« Von dem vielen Weinen hat sie einen Schluckauf, sodass ihre Worte abgehackt und atemlos herauskommen.
Die Zeit ist knapp. Ich muss fliehen – und dazu brauche ich Twiss. Aber eher würde ich sterben, als Geistmagie zu benutzen und ihr meinen Willen aufzuzwingen. Ich muss einen anderen Weg finden, um sie zu überzeugen.
»Du willst dich rächen. Glaub mir, das will ich auch. Ja, ich bin eine Magierin, und genau das macht mich zur mächtigsten Waffe, die ihr habt. Könnt ihr es euch wirklich erlauben, darauf zu verzichten? Denk nach, Twiss. Was würde Bruin an deiner Stelle tun?«
Wir tragen ein stummes Blickduell aus. Ich zittere nicht mehr ganz so heftig, doch der Schock ist einer kalten dunklen Angst gewichen, die bis in jeden Winkel meines Körpers kriecht. Ich muss weg von hier. Sofort.
Twiss wischt sich schniefend die Nase und runzelt unwillig die Stirn, dann zuckt sie die Achseln und nickt Richtung Tür. »Na gut. Aber beeilt Euch!«
Ich springe vom Bett auf und laufe zu meiner Kommode, wo ich hastig eine Robe von letztem Jahr heraussuche, an die sich vermutlich niemand mehr erinnern wird, wenn man meine Sachen durchwühlt. Anschließend kleide ich mich eilig an, während ich im Geist den Fluchtplan durchgehe, den ich schon vor Monaten ausgearbeitet habe. Als Letztes hole ich das kleine Etui unter meinem Kopfkissen hervor, in dem ich Swifts Brief aufbewahre, und hänge es mir an einem Lederband um den Hals.
»Schnell!«, drängt Twiss. »Jetzt kommt endlich.«
Ich schüttle den Kopf. »Ohne ein bisschen Magie wird es nicht gehen.« Die Augen der Diebin weiten sich ungläubig. »Es muss sein. Der Erzmagier wird nicht aufhören, nach mir zu suchen, es sei denn, er ist davon überzeugt, dass ich tot bin. Es ist alles vorbereitet und wird nicht lange dauern.«
Das ungeduldige Zungenschnalzen der Diebin in den Ohren, mache ich mich daran, die oft geübten Handgriffe durchzuführen. Ich breite mein Nachtgewand auf dem Bettaus und greife über mir nach einem kleinen, sehr scharfen Messer, das ich schon seit Monaten in einer Luftfalte versteckt halte, aber ich habe keine Zeit, es Twiss zu erklären, die prompt erschrocken aufkeucht.
Kein Wunder. Mit Sicherheit hat sie noch nie von Magiern gehört, die ein Messer besitzen. Wofür auch, wenn sie die Arbeit einer Klinge mit ihrem Geist verrichten können?
»Dafür«, beantworte ich Twiss’ unausgesprochene Frage, während ich mir erst eine Haarsträhne und dann ein Stück von meinem Daumennagel abschneide und beides auf mein Kissen lege. Als Nächstes setze ich das Messer an meinen Unterarm und bin überrascht, wie viel Überwindung es mich kostet, mir die Klinge ins Fleisch zu drücken. Ein scharfer Schmerz durchzuckt mich, und leuchtend rotes Blut quillt aus dem Schnitt hervor und tropft auf das weiße Laken. Als es genug ist, lasse ich die Wunde schnell wieder verheilen, damit keine verräterische Blutspur meinen Trick preisgibt. Ich hätte mir das Blut auch ganz ohne Schmerzen unter Zuhilfenahme von Magie entnehmen können, aber es ist wichtig, dass auf dem Messer Blutflecken sind. Und der Schmerz ist ein Versprechen.
Nachdem dieser Teil vollbracht ist, knie ich mich hin und richte das Messer auf den verborgenen Schrein, in dem eine kleine Pendeluhr tickt.
Heilige Zeit, nimm mein Blut als bereitwilliges Opfer, lass meine Mission gelingen und führe meine Feinde in die Irre. Ich konzentriere mich auf das Ticken der unsichtbaren Uhr und stelle mir die schwingenden Bewegungen des winzigen Pendels vor. Als mein Herz ruhig und gleichmäßig nach seinem Rhythmus schlägt, stehe ich auf und beginne mit meinem Werk. Nochnie habe ich mich an etwas versucht, das so kompliziert ist. Diese Art der Magie wird sonst nur von erfahrenen Großmeistern ausgeführt. Ich hefte den Blick auf die Haarsträhne und das Blut, mit dem sich das Laken vollgesogen hat, und befehle ihnen zu wachsen – größer zu werden, sich zu verwandeln, miteinander zu verschmelzen.
Es kostet sehr viel Kraft, doch ganz allmählich formt sich auf dem Bett eine menschliche Gestalt, die zwar kein Leben in sich trägt, aber eine feste Beschaffenheit besitzt. Dann hebe ich das Messer über den Kopf und stoße es genau in die Stelle, wo sich das Herz befinden würde, wenn dieses Ding ein echtes menschliches Wesen wäre.
Twiss keucht erschrocken auf.
Ich lasse das Messer stecken, hebe beide Hände und entfache ein Feuer auf dem Bett. Seine Flammen lodern in die Höhe,
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