Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
dahinterliegende Kammer. Wobei Kammer nicht das richtige Wort ist. Es ist vielmehr ein großer Versammlungsraum mit einem Steinboden und gekalkten Wänden, der mir nach dem Loch, in dem ich die Nacht verbracht habe, wie ein Palast vorkommt.
In seiner Mitte steht ein langer, von Kerzen beleuchteter Tisch, an dem sieben Leute sitzen und mich mit kalten Mienen mustern. Eine Welle der Verzweiflung schlägt über mir zusammen, als mir klar wird, wo ich mich befinde. Das hier ist ein Ratssaal, genau wie der im Palast meines Vaters. Undich stehe vor Gericht, genau wie meine Mutter damals. Das Einzige, was fehlt, ist der Anklage-Schacht.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Twiss sich an einer Wand im Schneidersitz auf den Boden hockt. Ich schlucke und versuche den hochmütigsten Blick meines Vaters aufzusetzen, während ich von Gesicht zu Gesicht dieser Leute schaue, von denen ich geglaubt habe, sie seien meine Verbündeten. Was ich darin lese, ist so schlimm, wie ich befürchtet habe: Von diesen Menschen kann ich keinerlei Mitgefühl oder Freundlichkeit erwarten.
Herrin Floster sitzt in der Mitte des Tisches und verfolgt mit ihren haselnussbraunen Stecknadelaugen jeden meiner Atemzüge. Ich muss unwillkürlich an den Falken denken, den ich in einem anderen Leben geflogen bin. Die Diebin und die sechs Erkenntnissuchenden betrachten mich schweigend, wollen mich offensichtlich auf die Probe stellen. Eine von ihnen ist Tabitha, aber ihr verschlossenes, regloses Gesicht bietet mir keinen Trost. Auf einmal regt sich ein fast kindlicher Trotz in mir. Ich habe alles verloren, nur mein Leben ist mir noch geblieben, und an dem hänge ich nicht sonderlich. Wenn sie also mit mir spielen wollen – nur zu, ich bin bereit.
»Ich brauche etwas zu essen«, sage ich und blicke Floster, ohne mit der Wimper zu zucken, in die kühlen Augen. »Und einen Stuhl. Es sei denn, Ihr zieht es vor, mich zu befragen, während ich bewusstlos auf dem Boden liege.«
Floster verengt mit einem amüsiert wirkenden Ausdruck die Augen. »Bringt der Magierin einen Stuhl. Und du, Twiss, schaff Brot und Fleisch her.«
Twiss springt auf und verschwindet aus meinem Blickfeld.Ich höre, wie leise die Tür geöffnet und wieder geschlossen wird, und sehe, wie sich ein Schatten von der Wand hinter Floster löst und ein Mann vortritt. Mir entweicht ein überraschter Laut. Es ist der schwarzhaarige Dieb: Flosters Wolfshund. Wie kommt es, dass ich ihn erst jetzt bemerke?
Er bewegt sich lautlos um den Tisch herum, holt einen Holzstuhl aus einer Ecke des Raums und stellt ihn neben mir ab. Dabei schaut er mich von der Seite an und hält leise lächelnd meinen Blick fest, bevor er wieder an seinen Platz hinter Floster verschwindet, sich an die Wand lehnt und mich mit einem belustigten Funkeln in den dunkelbraunen Augen ansieht. Obwohl er ungefähr genauso alt sein muss wie mein Vater, spüre ich, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Der Dieb ist ziemlich attraktiv und er weiß es auch.
Ich setze mich auf den Stuhl und schließe vor Erleichterung einen Moment lang die Augen. Der Schlaf hat mir das Leben gerettet, aber ich habe in den letzten zwölf Stunden mehr Magie benutzt, als ich für möglich gehalten habe, und ich bin am Verhungern. Plötzlich taucht Twiss neben mir auf und drückt mir eine Schale mit dampfendem Fleisch und Gemüse in die Hand. In der Mitte des Eintopfs steckt ein Holzlöffel und ein Kanten Brot. Als ich nach dem Löffel greife, wird mir mit Entsetzen klar, dass ich mein lang ersehntes Mahl vor Floster und den Erkenntnissuchenden zu mir nehmen muss. Mein Unbehagen scheint mir so überdeutlich ins Gesicht geschrieben zu sein, dass der Wolfshund spöttisch auflacht.
Trotzig straffe ich den Rücken und tauche, ohne mein finsteres Publikum zu beachten, den Löffel in die Schale. Das Gemüse schmeckt nach Kohlrüben, das Fleisch ist zähund trocken, aber mir kommt es vor, als sei es das Köstlichste, was ich je gegessen habe. Ich lasse nicht einen Krümel übrig, wische die Schüssel zum Schluss noch sorgfältig mit dem Brot aus, das ich genauso schnell verschlinge wie zuvor das Fleisch und das Gemüse, und blicke dann traurig auf die leere Schale.
»Nun«, sagt eine der Erkenntnissuchenden, eine kleine, runde Frau mit schwarzen Haaren, die in der Mitte gescheitelt und hinter die Ohren gestrichen sind. »Immerhin wissen wir jetzt, dass Magier sich doch nicht von menschlichem Blut ernähren.«
16
I ch bin Meisterin Quint, das Oberhaupt der
Weitere Kostenlose Bücher