Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
heiligen Insignien zu entweihen, indem ich sie verstecke …
Ich darf keine Angst haben. Wenn ich ihr nachgebe, verliere ich alles. Und alles, was ich noch habe, ist mein Hass. Und Swift. Ich muss leben, um sie zu rächen … um andere vor demselben Schicksal zu bewahren.
Hilf mir, Zeit!
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nehme ich Twiss das Töpfchen aus der Hand und beginne, mich mit der Salbe einzuschmieren. Sie ist zäh und ölig und fühlt sich kalt auf der Haut an, als ich sie über meinen Magierzeichen verteile und mit zitternden Fingern langsam Linie für Linie bedecke.
Manchmal stirbt das Kind, wenn es die Insignien erhält. Ich kann mich nicht an den Schmerz erinnern. Die Großmeister haben das Zeichen meiner Mutter in meine rechte Wange und das von Benedict in meine linke Wange geritzt. Mein eigenes Zeichen – das Symbol meiner Seele – befindet sich auf meiner Stirn. Meine Zeichen auszulöschen ist, als wäre ich nie geboren worden.
Als ich fertig bin, sehe ich Twiss an und bin froh, dass es keinen Spiegel im Raum gibt. Mir wird schwindlig bei dem Gedanken an mein nacktes Gesicht, und ich spüre ein verräterisches Brennen in den Augen, das ich hastig wegblinzle.
»Viel besser«, sagt Twiss, nachdem sie meine Wangen und Stirn einer prüfenden Musterung unterzogen hat, und lächelt zufrieden. In diesem Lächeln liegt all die Macht, die sie über mich hat. Ich bin jetzt der Lehrling einer Diebin.
Es ist wie eine Wiedergeburt, bei der ich nackt und völlig allein in dieser neuen Welt ankomme.
Nichts … nichts ist jemals so schwer gewesen. So schwer, dass ich es kaum aushalte.
Es ist nicht nur die Dunkelheit, obgleich ich das ständig flackernde Licht hasse, das die Öllampe in der Wandnische nur widerwillig spendet.
Es ist nicht nur der Gestank, der sich in meiner Nase eingenistet hat und so penetrant ist, dass ich ihn schmecken kann: Ruß, abgestandene Luft, menschliche Ausdünstungen, und immer und überall und unentrinnbar – der Geruch der Erde, die nach Lehm und Würmern und Verfall stinkt.
Und dann der Dreck. Ich sehne mich nach einem Bad, nach sauberem, warmem Wasser, um den Gestank der Angst in meinen Achselhöhlen abzuwaschen und den Schweiß, der zwischen meinen Brüsten und meinen Rücken hinunterläuft.
Ich schließe die Augen und fliege wieder den Falken, steige auf im kalten Bergwind und dem Duft von Zedernbäumen. Freiheit. Habe ich dich so sehr erzürnt, Zeit? Schicke mir Mut. Für Swift. Für Aidan. Ich habe versprochen, ihn zu retten. Swift ist tot. Aber Aidan lebt.
Ich bin umgeben von Halblingen, die wie unterernährte Hunde auf ihren knochigen Hintern kauern. Die Angst hält sie zurück. Eine Handbreit Luft, die wie ein Schützengraben um meinen schwitzenden Körper gemeißelt ist, ist das Einzige, was mich schützt und davon abhält, meine Magie einzusetzen und dazu zu benutzen, von hier zu fliehen … zu denen zurückzulaufen, von denen ich abstamme, und zu hoffen, dass mir vergeben wird. Vielleicht hat mein Vater recht und es kann nie etwas anderes als Krieg zwischen ihnen und uns geben.
Die Haare bedeckt und die Magierzeichen unter der Salbe verborgen, sitze ich in meiner geflickten Diebeskluft und mit Flosters Schutzamulett mitten unter ihnen und spüre jeden einzelnen ihrer hasserfüllten Blicke. Ich schmecke ihr Verlangen, mir die Arme und Beine auszureißen und die Augen auszukratzen.
Ich zwinge mich, zu Twiss zu schauen und ihr zuzuhören.
Wie sich herausstellt, ist Twiss eine Geschichtenerzählerin, und obwohl die Augen der stinkenden, schmutzigen kleinen Diebe unaufhörlich zwischen uns hin- und herhuschen, hängen sie an ihren Lippen, als wären die Worte, die daraus hervorkommen, die zarten Filetstücke eines Kapauns.
Mir dagegen sträuben sich bei der Geschichte, die sie erzählt, die Nackenhaare.
»… und der Magier presste alle Luft aus dem Körper von Mer, und sie starb mit dem Schrei, der in ihrer Kehle feststeckte. Dann saugte er das Mark aus ihren Knochen, und dabei tropfte Blut an seinem Kinn hinunter, bis sein langer schwarzer Bart rostrot war. Und damit waren zwei mutige Diebe tot und ihre Halblinge blieben weinend und einsam in derHöhle zurück. Jetzt war nur noch Peeta übrig, die Kleinste der drei. Peeta war klein, aber sie war schlau …«
Twiss hält inne, lässt den Blick durch die Höhle wandern und lächelt, als sie die großen Augen und offenen Münder sieht.
»Es nützt nichts, ungesehen zu sein, weil die magischen Augen
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