Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)
die Zeichen in deinem Gesicht. Kannst du die nicht irgendwie wegzaubern?«
Ich schaue sie fassungslos an und zähle stumm die Herzschläge, die in meinen Ohren widerhallen, bis ich wieder sprechen kann.
»Nein, kann ich nicht! Es ist unglaublich schwer, Magie am eigenen Körper anzuwenden, und sei es nur, um eine kleine Wunde zu heilen. Aber etwas so Kompliziertes wie seine Magierzeichen zu entfernen? Auf keinen Fall!« Allein der Gedanke jagt mir einen Schauder über den Rücken. Wer wäre ich dann noch?
»Bist du schon mit diesen Spiralen im Gesicht auf die Welt gekommen?«
»Die Insignien erhält man am Tag seiner Namensgebung«, antworte ich widerstrebend. »Es bedarf sechs Großmeister, um den Ritus zu vollziehen, bei dem sonst nur die Eltern anwesend sein dürfen. Er ist etwas sehr Heiliges. Ich kann nicht darüber sprechen. Nicht mit jemandem wie … ich kann einfach nicht.« Bestimmt lässt sie mich jetzt in Ruhe und hat verstanden, dass …
»Ist das so was Ähnliches wie eine Tätowierung? Ich meine nur, weil sie so seltsam schimmern.«
Die Diebin, die in der Hocke auf dem Boden kauert und völlig unbedarft zu mir aufschaut, stellt mir Fragen, die kein Vieh auch nur denken sollte, geschweige denn aussprechen.
Schlag die Kreatur nieder! , hallt die gebieterische Stimme meines Vaters durch meinen Kopf, und einen Moment lang bin ich tatsächlich versucht, meiner Erziehung als Magierin nachzugeben und seinem Befehl zu gehorchen.
»Das ist Silber«, antworte ich schließlich, um mich für meine erbärmlichen Gedanken selbst zu bestrafen. »Feine Silberfäden, die in meine Haut eingelassen wurden.«
»Wirklich?« Twiss starrt mit beinahe kindlichem Staunen in mein Gesicht, fängt sich aber sofort wieder und setzt ihre übliche abweisende Miene auf. »Wir müssen sie verstecken, Silber hin oder her. Die Herrin hat gesagt, dass nichts mehr an dir nach Magierin stinken darf. Warte hier, und wehe, du haust ab! Ich bin so schnell wieder da, dass du noch nicht mal Zeit hast, dir den Rücken zu kratzen.« Und schon ist sie aus dem Raum gelaufen und knallt die Tür hinter sich zu.
Für den Bruchteil einer Sekunde spiele ich mit dem Gedanken,ihren Befehl zu ignorieren, setze mich dann aber seufzend hin und warte. Mich gegen Twiss aufzulehnen wäre dasselbe, wie gegen Flosters Autorität zu verstoßen, und ich verspüre nicht die geringste Lust, die Geduld der Anführerin der Diebe jetzt schon auf die Probe zu stellen. Und tatsächlich kommt Twiss fast genauso schnell zurück, wie sie vorhin geprahlt hat, lässt sich neben mich auf den Boden fallen und streckt mir ein kleines Töpfchen hin, das mit einem Korkstöpsel verschlossen ist.
»Meisterin Quint von den Apothekern stellt sie selbst her. Für Leute, die sich’s leisten können. Das Zeug deckt jede Narbe ab.«
Quint. Die verrückte Erkenntnissuchende, die ständig nickt und die Hände aneinanderreibt und mir unterstellt hat, Blut zu trinken, auch wenn sie behauptet hat, nicht an dieses abergläubische Gerede zu glauben.
Meine Hand fährt über die Insignien meiner Mutter. Ich kann die dünnen Silberlinien unter meinen Fingerspitzen spüren … mich fast an ihr Gesicht erinnern. Ich war drei, als sie starb. Stirnrunzelnd starre ich auf das Töpfchen, das Twiss mir immer noch hinhält.
Ich schüttle den Kopf. »Nein.«
Wer würde ich sein? Was wäre ich … ohne meine Zeichen?
Twiss‘ Augen werden schmal. »Hast wohl keine Lust, wie Vieh auszusehen, was?« Sie zieht verächtlich die Nase hoch.
»Darum geht es nicht …«
»Nicht?« Sie zuckt mit den Achseln. »Tja, deine Entscheidung. Aber ich warne dich – Halblinge vergessen ganz gern mal, das zu tun, was man ihnen befohlen hat. Es wäre besser, wenn sie nicht ständig daran erinnert werden, was du bist, wenigstens so lange, bis sie sich an dich gewöhnt haben.Aber wenn du deine blöden Zeichen lieber behalten willst, bitte. Nur eins sag ich dir: Wenn sie dich angreifen, brauchst du gar nicht erst nach mir zu schreien. Ich kann’s nicht mit einer ganzen Horde von ihnen aufnehmen, und ich werd mein Leben auf keinen Fall für eine dreckige Magierin aufs Spiel setzen.«
Der unter der Oberfläche schwelende Hass lodert erneut in ihren Augen auf. Sie hat recht: Ich habe hier unten keine Freunde, und am allerwenigsten sollte ich mir von diesem seltsamen Mädchen erhoffen, das sich offenbar nicht entscheiden kann, ob sie mein Leben beschützen oder mich eigenhändig umbringen will.
Aber meine
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