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Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition)

Titel: Zara von Asphodel - Rebellin und Magierin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Renner
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achten. Es ist so dunkel hier und stinkt so entsetzlich, dass ich kaum atmen kann.
    Darauf bedacht, meine Hände und nicht meinen Geist zu benutzen, schiebe ich mich an ein paar älteren Halblingen vorbei, die in einem Durchgang stehen. Keine Magie. Trotz meiner Panik weiß ein Teil von mir, dass sie mich in Stückereißen werden, wenn ich Magie benutze. Und dann habe ich endlich den Tunnel erreicht und renne los. Aber wohin? Ich weiß es nicht und es ist mir auch gleichgültig.
    Es tut gut zu laufen. So schnell zu laufen, wie man nur kann. Durch dunkle Gänge zu rasen, über unebene Stellen zu stolpern, Löchern und Steinen auszuweichen, die im schwachen Licht der Öllampen kaum zu sehen sind. Bald schon lechzen meine Lungen nach Luft und ich spüre einen heftigen Stich in der Seite. Es ist ein normaler und ein realer Schmerz, den ich fast freudig begrüße. Als der Albtraum verblasst und ich langsamer werde, höre ich die sich rasch nähernden Schritte eines Verfolgers.
    Ich habe kaum Zeit, mich umzudrehen, als auch schon ein Körper in mich hineinrast und mich hart zu Boden wirft, sich rittlings auf mich setzt und mit beiden Händen in meine Haare greift.
    »Au! Runter von mir, Twiss!«
    »Was bildest du dir verdammt noch mal ein, einfach so abzuhauen?« Sie reißt meinen Kopf an den Haaren nach oben und rammt ihn dann auf den Boden. Dabei geht sie für ihre Verhältnisse noch recht sanft vor, aber ich sehe trotzdem Sternchen. »Bist du verrückt geworden?« Twiss beugt sich zu mir herunter, bis sie nah genug ist, um mir die Nase abzubeißen. Wozu sie vermutlich in der Lage wäre. »Was ist? Bist du verrückt?«
    »Nein. Geh runter. Du tust mir weh.«
    »Ist mir egal.«
    »Mir aber nicht. Nun mach schon, Twiss.«
    »Nur wenn du schwörst, nicht wieder abzuhauen.«
    »Gut, ich schwöre.«
    Sie ist vielleicht so dünn wie ein verhungertes Kätzchen, scheint aber das Zehnfache zu wiegen, und ich stöhne erleichtert auf, als sie schließlich von mir herunterklettert.
    »Wie kommt es eigentlich, dass du so stark bist?«, brumme ich, nachdem sie mir eine Hand hingestreckt und mich vom Boden hochgezogen hat. Obwohl sie gerade mal halb so groß ist wie ich, habe ich keinen Zweifel daran, wer von uns beiden als Siegerin aus einem Zweikampf hervorgehen würde.
    Twiss grinst stolz. Offensichtlich habe ich genau die richtige Frage gestellt. »Ich bin wirklich ganz schön stark, was?«, strahlt sie. »Das kommt davon, weil ich bei Bruin so oft den Blasebalg bedient hab. Er hat immer gesagt, ich wär das stärkste dünne Nichts, das er je kennengelernt hat, und …« Sie verstummt abrupt, packt mich am Arm und hält ihn mit eisernem Griff fest. »Und jetzt sag schon, warum bist du abgehauen? Das war ziemlich dumm von dir. Du würdest dich hier unten sowieso nur verlaufen und elendig verhungern.«
    »Ich wollte nicht abhauen«, antworte ich seufzend. »Ich bin nur vor einer schlechten Erinnerung davongelaufen, die mich plötzlich überkommen hat. Nichts, worüber ich reden möchte.«
    Sie verzieht die Augen zu schmalen Schlitzen und setzt zu einer Erwiderung an, scheint es sich dann aber anders zu überlegen und zuckt mit den Achseln. »Von mir aus. Aber mach das ja nie wieder.«
    Als wir schweigend zurückgehen, beschließe ich, ihr die Frage zu stellen, die an mir nagt, seit sie mich in die Katakomben gebracht hat.
    »Wo sind die Eltern, Twiss? Ihr seid so viele Halblinge – wo sind eure Eltern?«
    Sie hat immer noch ihre Hand auf meinem Arm, und als ihre Fingernägel sich nun in meine Haut bohren, weiß ich, dass ich mit meiner Vermutung richtiglag.
    »Kannst du dir das nicht denken?«, zischt sie. »Sie sind tot. Alle von Magiern umgebracht. Die Halblinge ziehen sich gegenseitig groß – wir sind Mutter und Vater für die Kleinen und die kümmern sich um die Babys.«
    »Und deine Eltern?«, frage ich.
    »Mein Vater wurde getötet, als ich acht war. An ihn kann ich mich noch ganz gut erinnern, an meine Mutter nicht, aber … sie vermisse ich am meisten.« Ihre Stimme ist heiser vor Sehnsucht.
    Meine Kehle schnürt sich zusammen und ich atme zitternd aus.
    »Ganz schön dämlich, was?«, sagt sie zögernd, und ich spüre, dass sie noch nie zuvor mit jemandem darüber gesprochen hat. »Ich meine, meine Mutter zu vermissen, obwohl ich sie gar nicht gekannt hab.«
    »Nein«, sage ich. »Nein, das ist überhaupt nicht dämlich.«
    Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück.

18
    D ie Herrin möchte dich

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