Zarias Geheimnis
lange Stille ein, als Leona die Mitglieder des Hohen Rates mit den Augen in die Knie zwang. Dann standen sie auf und folgten Renclairs Beispiel und schüttelten Arme und Beine aus.
Sobald ihre Bewegungen nicht mehr ganz so steif waren, kehrten sie hinter den Tisch zu ihren Hochsitzen zurück und nahmen mürrisch Platz.
»Wir befinden uns euch gegenüber im Nachteil«, erklärte die Magistria. »Was möchtet ihr mit uns besprechen?«
Leona schnaubte ungeduldig. »Sag’s ihnen, Zaria.«
»Ich?«
»Ja, du. Natürlich du. Du hast Lily Morganit verjagt. Sag es ihnen. «
Wo sollte ich anfangen? »Nun ja«, setzte ich an. »Ähm.« Das zusehends bedrohlichere Stirnrunzeln der Ratsmitglieder machte mich nervös.
»Sprich, Kind«, drängte mich Wolframit.
Ich strengte mich an, nicht in ihre zornigen Mienen zu blicken. »Äh, Lily Morganit ist seit zehn Jahren der Forcier?«, fragte ich.
Wolframit und Zirkon sahen sich an. Magistria Magnetit rutschte nervös hin und her und blickte zur Decke. »Seit etwa zehn Jahren, ja«, erwiderte sie eingeschnappt.
»Und wann sind die ersten Anzeichen aufgetreten, dass die dauerhaften Zauber allmählich schwächer werden?«, wollte ich weiter wissen.
»Vor etwa fünf Jahren. Vielleicht etwas früher.«
Fünf Jahre. Eine Zahl, die ich mit dem Verschwinden meiner Eltern verband.
»Und Lily«, fuhr ich mit zittriger Stimme fort, »war in dieser Zeit dafür verantwortlich, den dauerhaften Zaubern ausreichend Radia zuzuführen, damit sie nicht weiter an Wirkung verlieren?«
»Ja«, antwortete Wolframit.
Ich hörte, wie Meteor neben mir nach Luft schnappte. Er sprang auf seinen Vater zu. »Das ist es!«, platzte er heraus.
Alle Ratsmitglieder, Zirkon eingeschlossen, blickten verständnislos.
Meteor zeigte auf mich. »Zaria hat die Lösung gefunden! Das hat Lily Morganit die ganze Zeit getrieben!«
»Hat welche Lösung herausgefunden, mein Sohn?«
»Dass Lily Morganit Radia unterschlagen und für sich behalten hat!«, rief Meteor aus.
Zirkon purzelte von seinem Hochsitz und sprang wieder auf. »Bei Oberon, was für eine Katastrophe!«
»Wovon reden Sie überhaupt?«, fragte die Magistria.
Zirkons weißer Kopf wackelte hin und her, während er von einem Ratskollegen zum nächsten blickte. »Verstehen Sie denn nicht, was die Kinder uns damit sagen wollen?«
»Erklären Sie es uns«, erwiderte Magistria Magnetit.
»Lily Morganit hat immer behauptet, sie könnte die dauerhaften Zauber nicht ausreichend auffrischen, weil es zu viele rote Elfen gäbe«, brauste Zirkon auf. »Sie hat gesagt, die Radia-Steuer würde nicht genügend Einnahmen bringen. Aber was ist, wenn sie nicht einmal versucht hat, die Zauber aufzufrischen?«
Wolframit machte große Augen. »Bei Vellerons Flügeln«, hauchte er. »Sie hat Elfenlands Radia gehortet?«
»Das erklärt alles«, erwiderte Zirkon. »Sie hat die gestohlenen Radia vermutlich dazu benutzt, um uns mithilfe eines Zaubers glauben zu lassen, sie könne nichts Falsches tun.«
Andalonus schien fassungslos. »Sie hat Radia gestohlen?«, flüsterte er.
Leona beäugte die Magistria argwöhnisch, als verdächtigte sie ihre Mentorin, mit Lily Morganit unter einer Decke zu stecken.
Aber diese Enthüllung hatte die Magistria sichtlich erschüttert. Ihre schwarzen Flügel fingen an zu zucken, und ihr weißes Gesicht wurde noch weißer. »Sie hat Radia gestohlen?«, wiederholte sie. »Der Forcier von Elfenland hat gestohlen ?«
Die Elfe mit dem pinkfarbenen Haar sank wie ein welker Stiel in sich zusammen, Renclairs Gesicht sah aus wie vor Wut versteinert.
Renclair. Wie konnten wir vergessen, geschichtete Magie beim Anführer der Radia-Garde offenzulegen?
Ich flog zu ihm und schlug ihm mit meinem Zauberstab auf die Schulter. »Extred rev dohler!«
Er schüttelte jedoch nur ruhig den Kopf und sah mir in die Augen. »Ich bin nicht verzaubert.«
Verdutzt musterte ich ihn und suchte nach Anzeichen zurückgehaltener Tränen.
»Ich glaube, Zirkon hat recht«, sagte er. »Lily Morganit verfügt mittlerweile über gewaltige Radia-Vorräte.Aber sie verschwendet sie nicht. Da ich dem Hohen Rat bedingungslosen Gehorsam geschworen habe, musste sie lediglich den Hohen Rat unter ihre Kontrolle bringen. Auf diese Weise hatte sie auch gleich mich und alle Radia-Wachen unter mir unter Kontrolle.«
Die Magistria hatte wieder so weit die Fassung wiedergewonnen, um entrüstet zu blicken. »Sie hatte uns tatsächlich unter ihrer Kontrolle … wie wir jetzt
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