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Zarias Sehnsucht

Zarias Sehnsucht

Titel: Zarias Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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merkwürdig grell: gleißend und doch matt und kühl. Man hatte die weißen Arbeitsplatten so oft geschrubbt, dass sie abgenutzt und verblichen aussahen. An den grünlichen Wänden hingen gerahmte Dokumente.
    Zwei Menschen waren mit mir im Raum.
    Ich erkannte Sams Vater sofort. Groß, mit feuerroten Haaren, die sich im Nacken anschmiegten. Er blickte auf, als spüre er meine Anwesenheit.
    Eine Flügelspannweite entfernt saß ein schwarzhaariger junger Mann vor einem Bildschirm wie dem von Sams Telefon, nur größer, und ließ die Finger über die Tastatur fliegen. Er tippte: Übers Tippen wusste ich Bescheid, auch wenn wir Elfen natürlich keine Maschinen zum Schreiben benutzen.
    Der junge Mann nahm die Finger von der Tastatur. »Doktor Seabolt? Was ist los? Haben Sie etwas gehört?«
    »Das dachte ich, ja.« Michael Seabolt neigte den Kopf. Der Raum war von Geräuschen erfüllt: vom sanften Summen und Surren der Lichter und Maschinen – unter das sich der Klang meiner Atmung mischte.
    Ich hielt den Atem an. Sams Vater sah sich einen Moment lang um, seine haselnussbraunen Augen waren durchdringender und härter als die seines Sohnes, jedoch genauso freundlich.
    Ich war im Begriff, diesen Mann zu berauben.
    Er schüttelte den Kopf und senkte den Blick. »Es ist nichts. Ich bin nur nervös. Sie rühmen die vielen Sicherheitsvorkehrungen, aber wenn Sie mich fragen, ist es damit nicht weit her.«
    Er zeigte auf eine Phiole neben sich. Ich betrachtete sie genauer. Darin befand sich etwas, das Sandkörnern ähnelte.
    Der Kometenstaub.
    »Ja, die sind mehr als dürftig.« Der junge Mann streckte die Arme aus. »Na, Zeit, Feierabend zu machen.« Er tippte noch ein paar Buchstaben, und dann wurde der Bildschirm vor ihm dunkel.
    Ich atmete so langsam und leise aus, wie ich konnte. Sams Vater schlüpfte aus einem weißen Mantel und warf ihn in eine Tonne.
    Ich wollte die Phiole gleich jetzt an mich nehmen, während niemand hinsah. Aber was war, wenn man Michael Seabolt die Schuld an ihrem Verlust gab? Es war schlimm genug, dass er morgen feststellen würde, dass sie verschwunden war. Daher wartete ich, bis er sie in einer Metallkiste mit massiven Verschlüssen verstaut hatte – unter den wachsamen Blicken seines jungen Assistenten. Er schaute auf die Uhr an der Wand und schrieb etwas auf ein Stück Papier, das an einer Tafel befestigt war.
    Zusammen schlossen sie einen Metallschrank auf. Dazu waren zwei Schlüssel notwendig, von denen Sams Vater und sein Kollege jeweils einen bei sich trugen. Sie stellten die Kiste in den Schrank und verschlossen ihn wieder. Dann kritzelten sie etwas auf das Papier.
    Der junge Mann lächelte. »Gehen wir nach Hause.«
    Sams Vater drückte einen Schalter. Die grellen Lichter gingen aus, und es war nur noch ein bläuliches Leuchten von einer Reihe kleinerer Lampen an der Wand zu sehen.
    Die Tür fiel hinter den beiden Männern mit einem Klick zu.
    Ich wartete nur ein paar Sekunden, bevor ich den Schrank aufsprengte, den sie verschlossen hatten. Ich nahm die Phiole heraus und musterte sie. Sie war groß genug, um auch den Kometenstaub der anderen Standorte aufzunehmen – es sei denn, Sam irrte sich, wie viel Staub die Menschen insgesamt eingesammelt hatten. An jedem Ort, den ich aufsuchte, konnte ich den Staub in diese Phiole umfüllen.
    Hier war ich und stahl etwas Wertvolles aus der Welt der Menschen – etwas, wofür viele Menschen hart gearbeitet hatten, um es zu bekommen. Es kam mir nicht richtig vor.
    Wenn Sam hörte, dass der Staub gestohlen worden war, würde er dann an mich denken? Ich dachte an seine vertrauensvollen Augen und sein offenes Lächeln.
    Ich seufzte. Dann öffnete ich die Phiole und schnupperte an ihrem Inhalt. Der Staub roch nach nichts, das mir je in meiner Welt oder auf der Erde begegnet war. Der Geruch gab mir das Gefühl, als würden Licht und Dunkelheit gleichzeitig durch mich hindurchfließen. Das Licht wogte, toste, jagte dahin; die Dunkelheit trudelte, wirbelte, wuchs.
    Mir kam plötzlich ein Gedanke – ein schockierender Gedanke: Ich könnte den Staub benutzen, um selbst etwas aevia ray herzustellen.
    Ich hüpfte vor Aufregung in die Luft, und meine Flügel entfalteten sich.
    Mit einer Flasche aevia ray könnten meine Freunde und ich die Radia-Vorräte wieder auffüllen, die Elfenland verlorengegangen waren. Die dauerhaften Zauber könnten wiederhergestellt werden. Wir könnten die Menschen mit Gaben überhäufen: mit wirklichen Gaben, nützlichen Gaben,

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