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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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von Girsberger zurück und lockerte sich die Krawatte. Das war’s also. Acht Jahre Getrete und Gebeiße innerhalb der Kreditunion, acht Jahre lang unzählige Besäufnisse mit Kunden außerhalb, die man sich nicht mal schöntrinken konnte. Acht Jahre Butlerdienste rund um die Uhr, wenn mal wieder einer der reichen Säcke, die meinten, die ganze Welt gehöre ihnen und besonders Kuster, nur weil sie vierzig oder hundert Millionen bei der Kreditunion hatten, nachts um vier beim Blick an die Decke feststellten, dass man an der Stuckatur mal was machen müsste. Und sofort Kuster anriefen, er solle doch mal schnell vorbeikommen, gleich heute, aber noch vor neun, denn anschließend ging’s auf den Golfplatz, und mal schnell den besten Stuckateur von Zürich vorbeibringen.
    Acht Jahre lang war ihm nie das Lächeln im Gesicht verrutscht, jedenfalls nie, wenn ein Kunde ihn anblickte. Acht Jahre lang hatte er zu jedem Schwachsinn, der ihm erzählt wurde, eine verbindliche Antwort gefunden. Acht Jahre lang hatte er sich Erzählungen von all den Unzulänglichkeiten angehört, die auch reichen Menschen das Leben ganz schön schwermachten. »Und können Sie sich vorstellen, ich hatte im Ritz extra die besonders harte Matratze von Aldovi bestellt, und dann stellte sich heraus, dass sie die mit Kunststoffkern genommen hatten, dabei bin ich allergisch gegen Kunststoff. Und als Gipfel waren im Blumenbouquet neben der Türe der Suite Ranunkeln, dabei bekomme ich bei deren Duft immer Kopfweh.« Kuster hatte einfühlsame Geräusche gemacht. »Und in der First war doch tatsächlich der Krug ausgegangen, also die Collection natürlich, was anderes trinke ich ja nicht, unvorstellbar, von jetzt an nehme ich wirklich nur noch meinen Jet.«
    Kuster hatte sein Unverständnis über solche sträfliche Nachlässigkeiten ausgedrückt: »Als Trost hätte man je wenigstens einen Millésimé reichen können.«
    »Na, wenn Sie das für einen valablen Ersatz halten, trinken Sie aber in einer anderen Liga«, hatte der Kunde zurückgeblafft.
    Und jetzt das. Einfach abserviert. Wegen Plansollübererfüllung. Eigentlich bin ich auch ein Lowman-Opfer, sagte sich Kuster in einem seltenen Anfall von Selbstironie. Vielleicht sollte ich mich mal bei dieser Schutzgemeinschaft der Lowman-Opfer melden, die so ein Riesengezeter machten.
    Okay, dachte Kuster dann, nun aber mal ernsthaft. Höchste Zeit für Plan B. Was sind die Optionen? Bei der Kreditunion irgendwo anders unterkriechen? Ausgeschlossen, außerdem hätte das Bürgisser ja sicherlich in den Raum gestellt, und in seinem Wording kam das nicht vor. Zu einer anderen Bank abschwirren? Ja zu welcher denn? Dass für gute Banker weiterhin Boni satt gezahlt werden müssen und Traumsaläre, das pusteten ja nur die Kommunikationsfritzen der Banken raus, weil sie von den Großverdienern in den Chefetagen dazu gezwungen wurden, die sich Sorgen um das eigene Gehalt machten.
    In Wirklichkeit stapelten sich auf vielen Schreibtischen hübsch designte Bewerbungsmäppchen von arbeitslosen Bankern, die sich problemlos vorstellen konnten, auch für ein Einstiegsgehalt von nur200Kisten im Jahr ans Gerät zu gehen. Ich aber nicht, sagte sich Kuster, wenn ich so meine monatlichen Grundkosten zusammenzähle, bliebe mir da ja nichts mehr zum Leben, und dabei muss es bei mir nicht mal ein Krug Millésimé sein. Also bleibt ja nur eine Option offen: ein schnuckeliges, kleines Family Office mit zehn oder zwanzig stinkreichen Kunden.
    Kuster klappte den Sessel wieder nach vorne und warf seinen Computer an. Da muss ich gleich mal eine To-do-Liste machen, sagte er sich und wollte schon losschreiben. Doch plötzlich hielt er inne und grinste. Bin doch nicht blöd, sagte er in den Computerbildschirm hinein, hinter dem er nicht ganz zu Unrecht den Big Brother der Kreditunion vermutete. »Müller«, sagte er dann in die Gegensprechanlage, »Sie und ich haben jetzt dann einen Termin außer Haus, sagen Sie alles andere ab.« Er ist zwar eine Pfeife, dachte Kuster, aber ich habe mich eigentlich an ihn gewöhnt, und auch in Zukunft werde ich ja einen Personal Assistent brauchen, denn wer druckt denn sonst die schönen Prospekte und Unterlagen für meine Kunden aus?

Neun
    Alfons Hinderli saß in seinem Büro bei der Fürstlichen Effektenbank und betrachtete das Ölgemälde einer Jagdszene an der Wand. Eigentlich grauenhaft, aber im Verlauf der Jahre hatte er sich daran gewöhnt, und dass es aus der fürstlichen Sammlung von Hans Adam II. von

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