Zaster und Desaster
schlecht. »Aber sicher«, sagte Hinderli, »Sie können wie immer auf mich zählen, und wenn Sie Gelegenheit fänden, das auch dem Fürschten weiterzu …«
»Na, na, Hinderli«, unterbrach ihn Busperli, »da wollen wir die Bäume nicht in den Himmel wachsen lassen, aber vielleicht kann ich es arrangieren, dass Sie beim nächsten größeren Empfang in der Reihe stehen, der der Fürscht, so er Zeit hat und geruht, die Hand schüttelt.« Nun bekam auch Hinderli glänzende Augen. »Also«, fuhr Busperli munter fort, »der ewige Zeitdruck, Sie verstehen, Frau Hinterbühler wird Ihnen gleich das Nötige erläutern, nach mir wird höheren Orts verlangt.«
Hinderli stand auf und schüttelte Busperli überschwänglich die Hand: »Das ist eine große Herausforderung, eine große Ehre, ich werde Sie nicht enttäuschen, das kann ich Ihnen …«
»Ist ja gut, Hinderli, ist ja gut, dann viel Spaß in Almaty.« Almaty, wollte Hinderli noch fragen, wo ist denn das, aber Busperli war bereits beschwingten Schrittes hinausgeeilt.
»Almaty ist die größte Stadt von Kasachstan«, klärte ihn dann Frau Hinterbühler auf, »ist doch wunderbar, dass wir endlich einen Nachfolger für Kessler gefunden haben, war gar nicht so einfach.«
»Kessler«, fragte Hinderli, »wurde der woandershin versetzt, der Name sagt mir nichts.« – »Aber nein«, sagte Frau Hungerbühler, »Kessler wurde zusammen mit seinem Bodyguard auf offener Strasse in Almaty erschossen, dort tragen ja schon Kinder Kalaschnikows.«
Zehn
Kuster betrachtete von der Terrasse seiner Loft aus die glitzernden Lichter um den Zürichsee herum, die sich in den Wellen spiegelten. Er hatte alle seine Handys abgeschaltet, was er sonst nie tat. Er lehnte sich in seiner Rattanliege zurück und nahm einen Schluck vom Palmer 79, den er für besondere Gelegenheiten reserviert hatte. Zeit für eine Work-Life-Balance, dachte Kuster, nach dem Rausschmiss aus der Kreditunion muss ich mal persönliche Bilanz ziehen. Das hätte er lieber bleiben lassen.
Beruflich ist es doch bisher super gelaufen, fing Kuster an. Zuerst ein Versuch im diplomatischen Dienst, dann als Quereinsteiger zur Kreditunion, argwöhnisch von allen betrachtet, die meinten, nur Absolventen der HSG hätten das Recht, an die Kundenfront und an die großen Fleischtöpfe zu kommen. Aber die laberten ihre Kunden zu häufig mit Fachchinesisch zu, konnten sich lähmend über doppelt abgesicherte Ertragswinkel, eine kompetent analysierte Risikomischung mit werterhaltendem Kern und solchen Schwachsinn auslassen, während dem Kunden fast der Kopf in den Teller fiel vor Langeweile. Kuster hatte schnell gemerkt, worauf es wirklich ankam: Lebensart, ein Schuss Servilität, aber nicht zu viel, und gute Umgangsformen.
Einen der ersten Kunden hatte er damit überzeugt, dass er immer brav aufstand, wenn die Frau Gattin einen ihrer häufigen Gänge auf die Toilette antrat. Das grenzt ja an Inkontinenz, hatte Kuster gedacht, aber der Gatte, 130 Tonnen schwer, hatte am Ende des Abends anerkennend gesagt: »Wissen Sie, solche Umgangsformen findet man heute selten«, obwohl er selbst zunehmend genervt nur eine leichte Aufwärtsbewegung angedeutet hatte, während seine Ehefrau zunehmend schwankend den nächsten Gang antrat. Als sie beim letzten Mal auch noch das Tischtuch samt Desserttellern und Cognacschwenkern runterriss, was von den eilig herbeiwuselnden Kellern der »Juwelenhalle« umgehend in Ordnung gebracht und auf die Rechnung gesetzt wurde, hatte Kuster den beobachtenden Blick ihres Mannes auf sich gespürt und seine Chance ergriffen. Nichts sagen wäre peinlich gewesen, Belanglosigkeiten wären suboptimal gewesen, also wagte er es: »Ihre Gattin wirkt doch zunehmend erfrischt, lieber Herr Ehrenfels, muss ich mir da Vorwürfe machen, dass meine Gastfreundschaft damit etwas zu tun haben könnte?« Herr Ehrenfels hatte anerkennend genickt und geantwortet: »Keinesfalls, lieber Herr Kuster, keinesfalls, jeder hat halt sein Päckchen zu tragen.«
Und am nächsten Tag hatte Ehrenfels zwanzig Millionen zusätzlich rübergeschoben, mit der klaren Anweisung, dass er zukünftig nur mehr von Kuster betreut werden wolle.
Und so hatte der unaufhaltsame Aufstieg seinen Anfang genommen. Kusters untadelige Manieren, dazu eine rasant zunehmende Kenntnis der richtigen Weine, Schneider, Antiquitätenläden, Zigarrenmarken, In-Places, Luxusrestaurants und Nobelherbergen und eine nur unwesentliche Zunahme seiner Kenntnisse von finanztechnischen
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