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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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und zu Liechtenstein stammte, machte es für Hinderli auch erträglicher.
    Das Telefon klingelte, was es in letzter Zeit immer seltener tat, denn einige bedauerliche Verluste von Kundendaten an die deutschen Steuerraubritter hatten den Neugeldzufluss bedenklich vermindert, vom Gequengel der bestehenden deutschen Kunden ganz zu schweigen, wie sie denn aus dieser Nummer wieder rauskämen.
    »Fürschtliche Effektenba …«, sagte Hinderli, dann bemerkte er, dass es ja ein interner Anruf war.
    »Nicht so formell, Hinderli, ich bin ja nicht der Fürscht«, quoll es munter aus dem Hörer, »kommen Sie doch gleich mal zu mir rüber, Besprechung.«
    Folgsam stand Hinderli auf, deutete eine leichte Verbeugung vor dem Ölschinken an, denn Ehrfurcht vor dem Fürstenhaus war seiner Meinung nach das Einzige, was in diesen struben Zeiten helfen konnte, dann machte er sich auf den Weg zu Busperli, dem Chef der Bank, der angeblich sogar über die direkte Handynummer des persönlichen Hofschranzen des Fürsten verfügte. Hinderli war schon lange nicht mehr im Allerheiligsten gewesen, aber es hatte sich nicht viel verändert. Immer noch waren schwere Eichenholzpanele auf die üblichen Plastiktrennwende geklebt und ein Kristalllüster hing von der Resopaldecke. Hinderli watete durch den Perserteppich, der auf einem dunkelroten Spannteppich lag, zum barocken Kommandopult, hinter dem ihn Busperli erwartete.
    »Hinderli, schön, Sie mal wieder zu sehen. Nehmen Sie Platz; ich komme gleich zur Sache, denn in einer halben Stunde habe ich einen wichtigen Termin.« Busperli rollte die Augen leicht nach oben, und Hinderli war es sofort klar, dass da von einer Audienz beim obersten Raubritter auf seiner Vaduz drohend überragenden Trutzburg die Rede war. Er nickte beeindruckt, was Busperli mit einem huldvollen Lächeln zur Kenntnis nahm. »Also, Hinderli, ich bin doch richtig informiert, dass Sie Ihren bedauerlichen Aufenthalt in Deutschland dazu benutzt haben, sich die russische Sprache anzueignen?«
    Hinderli zuckte leicht zusammen, nur ungern erinnerte er sich an seinen Gefängnisaufenthalt in Stuttgart-Stammheim, den ihm ein missglückter Versuch, einem deutschen Steuerhinterzieher bei der Rettung seines Schwarzgeldes nach Liechtenstein zu helfen, eingetragen hatte. Leider hatte der Kriminelle, wie ihn Hinderli seither erbittert bezeichnete, vorher die deutschen Steuerbehörden von diesem Treffen in Stuttgart informiert. Damit hatte der Kriminelle seinen eigenen Hals gerettet, aber Hinderli hatte für eine unangenehm lange Zeit die Gastfreundschaft des deutschen Strafsystems genießen dürfen. Es gibt keine Ehre und keinen Anstand mehr in der Welt, dachte Hinderli erbittert. Aber immerhin, diesen Mann hatte noch Ehre, hatte der Fürscht geruht, seine Bezüge weiterlaufen zu lassen und ihn sogar wieder in seine Dienste zu nehmen, nachdem er der deutschen Unrechtsjustiz im Rahmen einer Amnestie endlich entkommen war.
    »Sprechen Sie nun Russisch oder nicht«, unterbrach Busperli seinen Gedankengang.
    »Fließend, mündlich und schriftlich«, sagte Hinderli, denn einige unangenehme Kontakte mit der Russenmafia im Gefängnis hatten ihn als gewitzten Banker zur Überzeugung gebracht, dass ein Fernkurs Russisch nicht nur gut gegen Langeweile, sondern auch sehr gesundheitsfördernd sei.
    »Super, prima«, strahlte Busperli, »da hätten wir nämlich was für Sie. Wie Sie wissen, gibt es beim Neugeldzufluss aus unseren Nachbarländern eine gewisse Zurückhaltung, was den Fürschten dazu bewog, mir bei der letzten Audienz anzudeuten, dass er geneigt sei, neue Geschäftsfelder im Osten zu evaluieren, denn auch dahin habe ja sein Geschlecht weit zurückliegende Beziehungen.« Wien, dachte Hinderli, Wien ist nicht schlecht, oder vielleicht Budapest? Budapest ist auch nicht schlecht. »Riesiges Reich, riesige Bodenschätze, riesige Vermögen, geruhte der Fürscht noch zu bemerken«, fuhr Busperli mit glänzenden Augen fort. Moskau, dachte Hinderli, soll ein bisschen rau zu- und hergehen, aber Moskau ist auch nicht schlecht.
    »Könnten Sie sich da einen Auslandsaufenthalt vorstellen, wäre natürlich auch mit einer netten Gehaltserhöhung verbunden, Wohnung, Spesen, Flüge, Repräsentationskosten, Auslandzuschlag, plus Gefahrenzulage und, nicht zu verachten, ein nettes Bonussystem für Neuakquisitionen.«
    Ein repräsentatives Fürstenpalais, dachte Hinderli, Bolschoi-Theater, Puschkin-Museum, Tretjakow-Galerie, Kreml, russischer Sekt, Kaviar, gar nicht

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