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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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seinen Handschlag zur Anwendung bringen zu können. Der mittlere der drei Büroschwengel, die ihm hinter aufgeklappten Computern verbarrikadiert gegenübersaßen, eröffnete die Besprechung, die über Bürgissers weitere Karriere entscheiden würde. Denn vom Ergebnis hing es ab, ob Bürgisser noch zwei weitere Jahre auf seinem Stuhl sitzen bleiben dürfte, dazu eventuell endlich Einsitz in die erweiterte Geschäftsleitung der Kreditunion nehmen könnte. Oder aber, wegen einer leichten Underperformance im strategischen Denken und mangelhafter Fokussierung auf die nötigen Core-Kompetenzen, in die Abteilung »Neue Businessstrategien für Kasachstan« abgeschoben würde. All das hatte eine Gruppe von mit Schreibblöcken und Diktaphonen bewaffneten Spezialisten in einem zweitägigen Workshop mit Problemlösungsmeetings, Kreuzverhören und kindischen Aufgaben wie »gemeinsames Spaghettikochen in zwanzig Minuten unter Verwendung beschränkter Ressourcen« ausgetestet. Besonders unangenehm war ihm in Erinnerung, dass man eine Nacht nicht im bequemen Bett des Viktoria Jungfrau hatte verbringen dürfen, sondern in einem Zeltlager auf Armeedecken. Teambuilding mit Leadership-Challenge hatte man diesen Quatsch genannt. Der Büroschwengel würdigte Bürgissers durchdachtes Outfit keines Blickes und legte los: »Herr Braun, wir wollen nun die Ergebnisse des Deep Impact Future Challenge Assessment Beyond 2010 besprechen.« Routiniert warf der Büroschwengel Charts, Diagramme, multifaktorielle Vektorfelder samt Auswertungen via Beamer an die Wand hinter sich, die Auskunft gaben über die Ergebnisse der strukturierten Interviews, Gruppenarbeiten, Stresstests, das Potenzial an Unternehmergeist und Kreativität, die Fähigkeit zur Helikopterview, Führungsqualitäten, Sozialkompetenz, Motivation und Selbsteinschätzung.
    »Wenn ich Sie da unterbrechen darf«, sagte Bürgisser nach fünf Minuten, »Sie haben sich nicht vorgestellt.« Der Büroschwengel schaute erstaunt von seinem Bildschirm auf: »Löpfe, Vice Executive Head of Assessment and Evaluation, wieso ist das von Belang?« – »Nun, das ist insofern von Belang, Herr Löpfe, als ich nicht Hans Braun, sondern Franz Bürgisser bin.« Während Löpfe rötlich anlief und etwas zum Büroschwengel rechts von ihm zischte, der protestierend den Kopf schüttelte, nahm Bürgisser seine Stahlbrille ab, wippte mit seinem Stuhl nach hinten, warf eine Pfefferminzpastille aus dem Döschen in die Luft, schnappte sie mit dem Mund gekonnt auf und kicherte. Eigentlich alles ein No-Go bei einem Assessment. »Äh, nun«, stammelte Löpfe, »in meinem Scheduler ist aber um 9.00 Uhr Hans Braun eingetragen, das sind wirklich nicht Sie?« Bürgisser wippte mit dem Stuhl nach vorne, stand auf, setzte sich auf den Tisch und lehnte sich zu Löpfe hinüber. »In meinem Outlook ist aber AR, das steht für Assessment-Results, 9.00 Uhr in Zimmer 3.17 eingetragen, es ist jetzt 9.12 Uhr, und das hier ist doch Zimmer 3.17, nicht?« Triumphierend wedelte er dabei mit seinem Blackberry vor Löpfes Nase herum. »Nun, äh«, sagte Löpfe, »dann würde ich doch vorschlagen, dass wir auf den Reset-Knopf drücken, hier habe ich ja Ihre Resultate, wenn Sie vielleicht wieder Platz nehmen wollten?« – »Nein, will ich nicht«, sagte Bürgisser, »und wir drücken auch nicht auf den Reset-Knopf. Sondern wir machen Folgendes: Sie optimieren meine Resultate bis zur Glaubwürdigkeitsgrenze, setzen als persönlichen Kommentar eine klare Empfehlung dazu, unbedingt für weitere Führungsaufgaben geeignet, starkes Potenzial, motiviert, belastbar, hohe Fach- und Sozialkompetenz und so weiter. Und dann machen Sie um 9.30 Uhr mit dem Nächsten weiter, falls Sie da den richtigen Namen finden. Oder aber, Herr Löpfe, ich werde Ihren First Executive Head über diesen Vorfall informieren, und dann brauchen Sie selbst zu Ihrem nächsten Assessment erst gar nicht antreten. Auch ein Pfefferminz? Das hilft gegen Mundgeruch.« Aber nicht gegen Achselschweiß, dachte Bürgisser, kletterte wieder vom Schreibtisch runter und machte es sich auf seinem Stuhl bequem.
    Zurück in seinem Büro hatte Bürgisser kaum Zeit, sich das Reserveposchettli in die Aussentasche seines Jacketts zu stecken und sich darüber zu ärgern, dass er so viel Zeit darauf verschwendet hatte, sich perfekt herauszuputzen, als bereits der Head HR anklingelte: »Franz, gratuliere, das ist ja die Bombe. Mit diesem Assessment stehen die Türen in die erweiterte

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