Zaster und Desaster
ausgeht. Sie können den reitenden Boten mit den Vertragswerken losschicken, er hat eigentlich alles geschluckt, ohne daran zu ersticken.«
»Inklusive der Holding auf den Bahamas?«
Hugentobler nickte: »Das war wirklich das Meisterstück, aus juristischen Gründen und weil in der Schweiz eine solche Konstruktion nicht unter einem Monat gebastelt werden kann, hat der Bundesminister auch tatsächlich die Kröte geschluckt, dass er ein beeindruckend großes Stück Schweizer Volksvermögen in eine Briefkastenfirma in der fernen Karibik schütten soll.«
»Gibt es noch offene Fragen, Probleme?«
»Ich würde sagen, keine, die bei einem Betrag von 80 Milliarden sonderlich ins Gewicht fallen würden.« Keine, die nicht eine Heerschar von Anwälten und Spezialisten, die mit gelockerten Krawattenknöpfen vor Computern saßen, mit roten Augen in die Bildschirme hineinstarrten und sich durch Hunderte von Seiten juristisches Geschwätz kämpften, nicht mehr oder weniger gut lösen konnten. Außerdem hatte die EBS ja den kleinen Vorteil, dass sie in der Task Force mehr als 300 Mann aufbieten konnte, denen standen lächerliche 20 Bundesbeamte gegenüber, die zwar auch nicht auf den Kopf gefallen waren, aber in ein paar Gigabite Vertragswerk schlichtweg absaufen würden.
»Sehr gut«, sagte der COO deutlich entspannter, »Sie haben da wirklich ganze Arbeit geleistet und unsere Vorbereitung optimal umgesetzt.«
Hugentobler gönnte sich auf dieses Kompliment einen weiteren Kleinen direkt aus der Flasche. »Danke«, sagte er dann leicht beschwingt, »aber ich hätte da auch noch eine Frage. Mir will doch scheinen, dass der persönliche Berater des Bundesministers für mich etwas überraschend in einem entscheidenden Moment ganz klar gesagt hat, dass man das seiner Meinung nach so machen könne. Ein solcher Input war auch in meinem Manual nicht vorgesehen, wurde da irgendwie dran gedreht?«
Diesmal schwieg der COO für einen Moment, dann sagte er: »Ist halt ein kluges Köpfchen, bis später.« Klick.
Hugentobler starrte entgeistert auf die Flasche Berta in seiner Hand, goss sich daraus das Grappaglas randvoll und nahm einen tiefen Schluck und dann noch einen. Dann nickte er bewundernd. Das ist großartig, dachte er, das ist absolute Spitze. Diesen Chip werde ich dann bei Gelegenheit und vor meinem Abgang noch einlösen. Das ist einfach fine Swiss Banking at its best. Einen Bundesminister kann man wirklich nicht schmieren, jedenfalls nicht so direkt und nicht so schnell. Aber seinen persönlichen Berater schon. Diesen auf die EBS, sagte Hugentobler, hob anerkennend das Glas und trank es bis zur Neige aus.
Dreizehn
Franz Bürgisser hatte sich diesen Morgen besonders sorgfältig bekleidet. Nicht, dass er als CEO Private Banking ansonsten seine Garderobe vernachlässigen würde. Aber alle zwei Jahre gab es einen Termin, bei dem er auf jedes Detail achtete. Von den Bally-Schuhen, rahmengenäht, schwarz, nicht zu neu, nicht zu alt, bis zur Krawatte, dunkelblau, dezent gestreift zum weißen Hemd, natürlich ohne Manschettenknöpfe, eingehüllt in einen grauen Zweireiher ohne modischen Firlefanz strahlte er die personifizierte Seriosität eines Schweizer Bankers aus. Seufzend hatte er sogar auf sein Markenzeichen, das Poschettli, verzichtet. Schließlich wählte er noch aus seiner Brillensammlung das Exemplar mit Stahlrahmen, selbstverständlich ohne selbsttönende Gläser, kein aufdringliches Logo am Bügel. Vor seinem Garderobenspiegel übte er nochmals den ersten Auftritt, streckte sich selbst die rechte Hand entgegen, dynamisch, gewinnend, energisch, aber nicht zu dominant, dazu ein angedeutetes Lächeln, mit geschlossenen Lippen, offen, aber nicht unterwürfig, verantwortungsbewusst, kompetent, keinesfalls anbiedernd. Er überprüfte zum Schluss den Sitz des Scheitels, war doch richtig gewesen, gestern noch schnell nachschneiden zu lassen. Apropos, er schob sein Gesicht nahe an den Spiegel heran, keinen Stoppel bei der Rasur übersehen, aber was war das? Bürgisser eilte ins Badezimmer und schnipselte sich ein Haar aus der Nase und ein weiteres aus der Ohrmuschel, wie hatte er das nur übersehen können. Dann steckte er die Pillendose mit Pfefferminztabletten, Betablockern und einem Booster in die Jacketttasche, stellte fest, dass sie dort etwas auftrug, und beförderte sie in die Hosentasche.
Eine halbe Stunde später saß er vor dem Assessment-Committee und hatte festgestellt, dass der Besprechungstisch zu breit war, um
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