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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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Geschäftsleitung weit offen, super.« – »Danke«, sagte Bürgisser bescheiden, »es ist doch gut, dass wir so ein objektives und wissenschaftliches Instrument zur Mitarbeiterbeurteilung haben.«

Vierzehn
    Kann doch nicht so schwierig sein, dachte Kuster. Was braucht es denn eigentlich groß für ein nettes Family Office? Ein paar stinkreiche Kunden, das ist klar, die zügle ich natürlich bei der Kreditunion ab. Visitenkarten habe ich schon bei Müller in Auftrag gegeben, das ist on going. Repräsentative Empfangsräumlichkeiten, na, da frage ich doch mal den alten Kollegen Vetterli von Vetterli & Vetterli, denen habe ich ja oft genug Aufträge zugeschanzt, die können auch mal was für mich tun und mich in ihrer netten Anwaltskanzlei direkt hinter dem Paradeplatz unterschlüpfen lassen. Damit wäre das mit Telefonnummer, Adresse, Postanschrift und so ja eigentlich auch schon geregelt.
    War bislang noch kein wirklicher Challenge, dachte Kuster, was muss noch her? Ah ja, hätte ich fast vergessen, ein Internet-Auftritt natürlich. So ein paar dezente Sätze und Bilder, beste Schweizer Tradition, diskret und kompetent, legen Wert auf persönliche und individuelle Beratung, maßgeschneidert, Ihren Wünschen entsprechend, genau. Kuster nickte, da stellen wir das übliche Gequatsche drauf, das jede Bank im Internet von sich gibt, dann vielleicht einen Login-Bereich, in dem sich meine Kunden gleich ein bisschen vertun können, ihr Portefeuille anschauen, Aufträge erteilen und so, das nimmt mir ja dann auch gleich Arbeit von der Backe.
    Super, dachte Kuster, das Problem hätten wir eigentlich auch abgehakt, ich frage mich langsam, wieso ich nicht schon früher auf die Idee kam, mich als privater Vermögensverwalter selbstständig zu machen, ist doch alles wirklich keine Atomphysik. Ach ja, irgendwas muss ja dann auch noch mit der Kohle angestellt werden, die die reichen Säcke bei mir deponieren wollen. Das erledigt dann weiterhin die Kreditunion für mich, eine Hand wäscht die andere, ich treibe denen neue Kunden zu, die geben mir Sonderkondition bei der Vermögensverwaltung, und alle sind glücklich. Kuster war freudig erregt, dass er die To-do-Liste der Gründung seiner eigenen kleinen Vermögensverwaltungsfirma so zügig abarbeiten konnte. Damit wäre eigentlich alles im grünen Bereich, dachte er.
    Zur Sicherheit ging er noch mal Punkt für Punkt durch, irgendetwas vergessen? Ach ja, doch, da war noch etwas, er brauchte ja ein paar unterzeichnete Verträge von Kunden, die bei ihm Geld deponieren wollten. Nun, eigentlich war das ja klar, natürlich musste er treue Kunden, die er bei der Kreditunion jahrelang beraten hatte, einfach davon überzeugen, dass sie viel besser fahren würden, wenn sie sich weiterhin seiner persönlichen Betreuung erfreuten. Dafür hatte er sich ja schon fast ein Ohr abtelefoniert, das war in trockenen Tüchern. Aber viel wichtiger war natürlich die Frage: Wie viel Vermögen musste er verwalten, damit er seinen gewohnten Lebensstil beibehalten konnte? Das müssen wir step by step angehen, dachte sich Kuster, wozu hatte er diverse Fortbildungskurse in decision making process genommen, ist doch alles easy. Also, wenn ich so eine Million für mich brauche, sagen wir eine weitere Million für den Rest, Müller, Büro, ein paar Visitenkarten, Internet und sonst noch ein paar Kleinigkeiten, die üblichen Spesen wie Einladungen und so weiter nicht vergessen, also sagen wir sicherheitshalber anderthalb Millionen, also alles in allem 2,5 Kisten.
    Okay, dachte Kuster, jetzt kommen wir in das weite Feld der Prozentrechnung, und da war er als Banker natürlich schon etwas verloren, denn es war lange her, dass er selbst eine Prozentrechnung durchgeführt hatte. Aber man kann ja als verantwortlicher Chef nicht alles delegieren, dachte er tapfer und widerstand der Versuchung, Müller, die Pfeife, mit dieser Aufgabe zu betrauen.
    Also, jetzt ganz langsam, dachte Kuster und nahm ein Blatt Papier zur Hand. Er ging davon aus, dass in seinem Büro bei der Kreditunion die Videoüberwachung nicht in der Lage war, sein Geschreibsel aufzuzeichnen. Und wenn auch, nickte er dann, was sollen die denn damit anfangen. Also, Kuster schraubte die goldene Kappe von seinem Montblanc ab, kleines Incentive-Geschenk beim letzten Betriebsausflug nach Hongkong, ich brauche rund 2,5 Mio. Wenn ich davon ausgehe, dass ich beim Kunden pro Jahr all in zwei Prozent Verwaltungsgebühr, Kick-backs, Retrozessionen und so weiter

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