Zaster und Desaster
jetzt etwa in Bern doch noch einen Nachschlag verlangen?«
»Nein«, quetschte der COO heraus und fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare, wobei er ein paar interessante grüne Spuren auf seiner Stirn hinterließ, »wir sind eigenkapitalmäßig bestens aufgestellt und mitten in einem erfolgreichen Turn around.«
»Prima«, zog Hugentobler weiter die Schraube an, »dann ist ja Ihr und mein Bonus gesichert, wollen wir darauf nicht einen Roederer Cristal köpfen?«
Aber der COO schluckte auch das kommentarlos, und Hugentobler kam langsam zur Überzeugung, dass die EBS wirklich am Arsch sein musste. »Das Problem ist«, bequemte sich der COO endlich, mit der bitteren Wahrheit herauszurücken, »dass die amerikanische Steuerbehörde am Tag nach der Übergabe der 244 Kundendaten weitere angefordert hat.«
»Na«, sagte Hugentobler, »das war ja zu erwarten, ich gehe doch davon aus, dass die 300-köpfige Task Force das antizipiert hat und entsprechende Abwehrstrategien existieren.«
Der Blick in die stumpfen, blutunterlaufenen Augen des COOs hatten Hugentobler seine Antwort bereits ahnen lassen: »Selbstverständlich wurden alle Exit-Szenarien durchgespielt und alle möglichen worst case Optionen aufgefächert«, erwiderte der COO, und Hugentobler dachte, wieso können wir selbst jetzt, wo sich das alles als reiner Schwachsinn erwiesen hat, dieses dämliche Managergequatsche nicht lassen. »Wir konnten aber nicht vorhersehen, welche Zahl von Kundendaten die amerikanische Steuerbehörde neu von uns einfordert.«
»Ach«, sagte Hugentobler, »die Gesamtzahl unserer amerikanischen Kunden wurde nicht in die Berechnungen einbezogen? Da hätte ich aber spontan einen sinnvollen Sparvorschlag: Hauen Sie die 300 Trottel, die unsere großartige Task Force bilden, fristlos raus.«
Der COO schien ihn nicht gehört zu haben, denn er stieß nur heraus: »68000, können Sie sich das vorstellen? Die wollen 68000 Kontoverbindungen. Das wäre das Ende der EBS.« Tja, no risk, no fun, dachte Hugentobler, wenn man jahrelang vor den Augen der Amis einen Schwarzgeldbunker nach dem anderen für Gringos eröffnet, muss man sich ja eigentlich nicht wundern, dass Uncle Sam mal sauer wird, vor allem, wenn er jeden Dollar selbst sehr gut gebrauchen kann.
»Und was kann ich da tun«, fragte Hugentobler, »soll ich mal schnell zum Weißen Haus rüberglühen, Obama eine Toblerone und ein Schweizer Sackmesser überreichen und ihm sagen, er solle die EBS doch nicht wie einen Neger behandeln, bloß weil wir ein bisschen Schwarzgeld verstecken?«
Jetzt müsste er mich eigentlich rausschmeißen, dachte Hugentobler, aber der COO wischte sich nur mit seiner Hand durchs Gesicht, wobei er weitere grüne Markierungen hinterließ, und sagte: »Sie müssen unseren Finanzminister davon überzeugen, dass er in die USA fliegen muss, um das Schlimmste zu verhindern. Verstehen Sie, Hugentobler, wir stehen am Abgrund, wenn das nicht endlich aufhört, wäre das das Ende.« Das Ende der EBS, dachte Hugentobler, aber nicht meins. »Wir zählen auf Sie, Hugentobler, Sie haben doch bislang auch alle Verhandlungen in Bern effizient und erfolgreich durchgeführt, Sie haben doch einen Draht zum Finanzminister, das müssen Sie tun!« Ihr zählt auf mich, dachte Hugentobler, falsch, ihr zahlt mich, und zwar so, dass es wehtut.
»Nun«, sagte er kühl, »kann ich machen. Läuft aber auch nicht unter Nachverhandlungen.« Der COO zog bereits den Bankcheck aus einer Schublade seines Kommandopults, als Hugentobler hinzufügte: »Nein, nein, es geht da ja auch um meine Existenz, wenn ich diesen Mist wegräumen soll, dann kostet euch das 10 Millionen.«
Der COO legte den Check weg, drückte auf einen Knopf seines Telefons und sagte: »Stellen Sie bitte einen Bankcheck über 10 Millionen aus, Sonderkonto Task Force, danke.«
In diesem Moment war sich Hugentobler sicher, dass die EBS wirklich am Arsch war.
Siebenundzwanzig
Hinderli hatte sich durch alle Schikanen geschlängelt, die der Internationale Flughafen von Almaty aufzubieten hatte, und stand in der Ankunftshalle. Seine aufkeimende Angst kämpfte er mit dem Gedanken nieder, dass der Fürscht doch auch hier seine schützende Hand über ihn halten würde, denn Gottvertrauen und Glaube in die Kraft des Fürstenhauses von Liechtenstein waren die beiden Grundpfeiler seines Lebens.
Krachend fiel eine schwere Pranke auf seine Schulter, und Hinderli machte einen Satz nach vorne. »Towarisch Indärli«, sagte eine tiefe
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