Zaster und Desaster
unsere Stabilität in der Dynamik, das sind die Begriffsfelder«, sagte die CCO energisch.
»Natürlich«, pflichtete ihr der Ghostwriter bei, »da kann ich mich sehr gut hineindenken. Vielleicht baue ich da ein paar amüsante Wortspiele ein.«
Die CCO hob leicht eine Augenbraue: »Also amüsant, ich weiß nicht, das passt wohl nicht so zu unserem Image als seriöse Bank, aber unterhaltend, natürlich, ein Vortrag muss unterhaltend sein.«
»Genau«, sagte der Ghostwriter, »jetzt ist mir auch die Tonalität klar, es geht doch nichts über ein gutes Briefing. Dürfte ich da vielleicht noch die Aspekte Steuerstreit und Schwarzgeld in den Raum stellen?«
Ein tiefes Schweigen senkte sich über die schwere Polstergarnitur und kroch die pastellfarbenen Wände hinauf. Die CCO und ihr Personal Assistent starrten den Ghostwriter an, als habe er einen Furz gelassen. »Also da müsste man vielleicht proaktiv ein paar Sätze einbauen, das Thema wird doch sicher angeschnitten werden«, legte der Ghostwriter nach, der befürchtete, dass sich sein nettes Honorar als Kollateralschaden in Luft auflösen könnte. Scheiß-Steinbrück, dachte er, aber vielleicht hätte ich ja auch die Schnauze halten sollen.
»Ich glaube nicht, dass diese Problematik im Rahmen einer Keynote …«, begann der Personal Assistent mutig, aber seine Chefin fiel ihm ins Wort, nachdem sie ihre Kaffeetasse resolut abgestellt hatte: »Interessanter Aspekt, den man allerdings nicht überbewerten sollte. Vielleicht ein Hinweis, dass wir selbstverständlich im Rahmen der Gesetze Steueroptimierungsmodelle anbieten, könnte unter Umständen nicht schaden«, sagte sie. »Wobei, es muss natürlich strikt darauf geachtet werden, dass wir uns als Finanzdienstleister weder in politische Auseinandersetzungen einmischen noch ein klares Statement in dieser Frage abgeben.«
Einerseits schon, anderseits doch wieder nicht, ein klares Ja zu einem klaren Nein, ein deutliches Sowohl-als-auch, seufzte der Ghostwriter innerlich. Na, dann werde ich mich mal über die Ziellinie bewegen, beschloss er: »Ich werde Ihnen da drei verschiedene Wordings vorbereiten, also ein Modul, das man auf Wunsch auch wieder entfernen kann, das gehört natürlich zum Service. Sie bekommen meinen Draft in KW 7, danke für das Briefing und die angenehme Zusammenarbeit.«
»Macht einen guten Eindruck«, sagte die CCO huldvoll, nachdem der Ghostwriter den Meeting-Room verlassen hatte.
»Der versteht wenigstens, was unsere Kernbotschaften sind«, pflichtete der Personal Assistent bei, »die haben Sie aber auch wirklich auf den Punkt gebracht.« Damit hoffte er, seine kleine Scharte von vorhin ausgewetzt zu haben. Allerdings nur so lange, bis er in die Abteilung Kundenreklamationen strafversetzt wurde.
Fünfundzwanzig
»Es ist ungeheuerlich«, sagte Frank C. Künzli zu seiner Frau, »wie unser Image als seriöse Schweizer Bankiers in den Dreck gezogen wird.«
Seine Frau schaute gelangweilt durch ihren Gatten hindurch und konzentrierte ihren Blick auf die Dämmerung über dem Zürichsee. Von der Terrasse ihrer Loft im steuergünstigen Freienbach hatte sie eine großartige Aussicht darauf. Schon wieder dieses Thema, dachte Frau Künzli, davon erholt er sich den ganzen Abend nicht, und am Schluss ist er besoffen und kriegt keinen mehr hoch. Was auch kein Unglück ist, nickte Frau Künzli. Ihr Gatte nahm das als Zustimmung und stocherte lustlos im Vitello Tonnato vom Blanco-Catering. Er hatte lange geschwankt, ob er lieber einen Bianco di Custoza oder den Critone dazu servieren sollte. Schließlich hatte er sich für den Chardonnay-Sauvignon aus Kalabrien entschieden, obwohl der mit lächerlichen 15 Franken eigentlich nicht zum sonstigen Niveau seines Weinkellers passte.
»Abzocker, geldgierig«, echauffierte sich Künzli, »das ginge ja vielleicht noch, aber man wirft uns auch Inkompetenz, Versagen, Unfähigkeit vor, außerdem seien wir nur an unserem eigenen Wohlergehen, an Luxusleben, an Prestige interessiert.«
Wie könnte man das nur vermuten, dachte Frau Künzli, wo du doch selbst deinen Namen von Franz Künzli in Frank C. Künzli geändert hast, käme besser bei den englischsprachigen Kunden an.
»Ungeheuerlich«, wiederholte Künzli, nahm einen tiefen Schluck vom Critone und schob den Teller von sich fort. Dann schnippte er mit den Fingern, und die portugiesische Angestellte tauchte aus dem Nichts auf und begann abzuräumen. »Natürlich müssen wir repräsentieren«, setzte Künzli seinen
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