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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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neben ihm zwei stämmige Herren auftauchten, einer nahm ihm fürsorglich die Headphones ab, der andere steckte das Döschen mit Modafinil ein. Freundlich aber bestimmt steuerten sie ihn zum Glaskasten in der Ecke des Raumes, in dem Felix saß, sein alter Kumpel, der ihn erst vor 48 Stunden mehr oder weniger von der Straße aufgelesen hatte. Felix bot ihm nicht mal einen Platz an, sondern kam gleich zur Sache: »Sorry, Dieter, aber du bist der Challenge offenbar nicht gewachsen. Mit dem letzten verpatzten Deal hast du die Rentabilitätsschwelle deutlich unterschritten, und das ist ja nicht der Sinn der Sache. No hard feelings, wir überweisen dir zwei Tagesansätze und wünschen viel Glück auf dem weiteren Lebensweg.«
    »Aber Felix«, stotterte Kuhn, »ich bin doch bloß noch nicht ganz drin und hatte einfach Pech, drücken wir auf den Reset-Knopf, und ich lege noch mal los.«
    Aber Felix hatte gar nicht zugehört, sondern aufmerksam seine eigene Bildschirmbatterie betrachtet, nun gab er den zwei stämmigen Herren einen Wink, und die hoben Kuhn an den Ellbogen leicht vom Fußboden ab und trugen ihn raus.
    Als sich die Panzerglastüre vor dem Maschinenraum der Kreditunion auf dem Uetliberg hinter Kuhn mit leisem Surren schloss, bemühte er sich, Haltung zu bewahren. Dann nahm er seine Hosenträger ab und warf sie in den Papierkorb unter dem Aschenbecher neben der Eingangstüre.
    »Was für ein Weichei«, murmelte ein vorbeieilender Master of the Universe, der ihn dabei beobachtet hatte, und Kuhn zuckte zusammen. Er griff nach dem Bund seiner langsam nach unten rutschenden Hosen und schleppte sich wie ein geprügelter Hund nach Hause. Von jetzt an kann es ja nur noch aufwärts gehen, dachte er.
    Das dachte er einen Monat später immer noch, als 153 Bewerbungsschreiben, ein Inserat in der NZZ und die Kontaktierung von sämtlichen auf dem Platz Zürich, Frankfurt und London tätigen Headhunters nichts gebracht hatten.
    Das dachte er weitere drei Monate später immer noch, als er den Schlafsack in seiner Wohnung zusammenrollte. Die geleasten Möbel waren ebenso wie das geleaste Auto schon längst abtransportiert worden, und für morgen hatte der Vermieter die Zwangsräumung angesetzt. Die Arbeitslosenversicherung hatte ihn mit drei Strafmonaten belegt, weil er den kleinen Nebenverdienst von 1000 Franken bei der Kreditunion nicht gemeldet hatte. Mehrere Verkäufer in Boutiquen und Second-Hand-Läden hatten ihn ausgelacht, als er seine Sammlung von D&G-Krawatten, Boss-Anzügen und Van-Laack-Hemden angedient hatte. Die Omega, die er sich selbst zum MBA an der Hochschule St. Gallen geschenkt hatte, und die Corum Admiral, mit der er sich zu seiner ersten Stelle bei der Kreditunion gratuliert hatte, brachten zusammen in der Pfandleihe auch nicht mehr als enttäuschende 3000 Franken. Kuhns Studium der Volkswirtschaft und der Finanzmärkte hatte ihn nicht darauf vorbereitet, dass der Weg nach unten dermaßen steil sein konnte, eigentlich mehr ein freier Fall.

Vierunddreißig
    »Das ist eine gute Frage«, sagte Max Fischer, »das kommt darauf an, wie schnell und in welcher Form Sie Ihr Kapital aus den USA transferieren wollen. Darf ich Ihnen übrigens etwas zu trinken anbieten?«
    Joe Smith bestellte eine Coke, Fischer telefonierte mit dem Room Service des Astoria, und fünf Minuten später servierte ein livrierter Boy zwei eiskalte Coca-Cola auf den Besprechungstisch seiner Suite. Fix sind die ja in New Yorker Hotels, dachte Fischer, teuer auch, fügte er hinzu, als er den Roomcheck über 20 Dollar unterzeichnete und fünf Dollar Trinkgeld drauflegte.
    »Darf ich Ihnen dazu eine Schweizer Spezialität anbieten«, führte Fischer das Kundengespräch fort und überreichte Joe eine Toblerone.
    Der nickte erfreut und sagte: »Da habe ich schon von gehört, soll ja das Matterhorn darstellen, nicht wahr?«
    Keine Ahnung, dachte Fischer, nickte aber zustimmend. Na, dann wollen wir mal zur Sache kommen: »Also, 38 Millionen Dollar, da ist natürlich eine Banküberweisung ausgeschlossen, wie Sie sicher wissen, überwachen die NSA und das IRS alle solche Bewegungen, und wir wollen hier ja nicht die Aufmerksamkeit von Uncle Sam erregen, nicht wahr. Ich nehme nicht an, dass Sie diesen Betrag in Cash hätten?«
    Joe schüttelte entsetzt den Kopf, »the hell no«, sagte er.
    »Dachte ich mir«, führte Fischer das Gespräch, wie ein Ami Schwarzgeld sicher bei der Schweizer Kreditunion parken konnte, fort. »Nun, da haben wir eine praktische

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