Zauber der Begierde
an
recht mit ihr, Gerard. Sie ist die perfekte Brieftaube. Und sie wird niemals
dahinterkommen, was wir machen, bis es uns egal sein kann.«
Adrienne zuckte
zusammen, die Hand festgefroren an der Tür.
»Und wenn sie geschnappt
wird, Eb? Was wirst du dann tun?«
Eberhards Lachen ließ
ihr das Blut gefrieren. »Ah, das ist das Schönste an der Sache. Sie werden die
Akten aus dem Waisenhaus ausgraben. Ich nahm mir die Freiheit, sie ein bißchen
überarbeiten zu lassen. Sie zeigen nun eine jugendliche Straftäterin, mit einem
natürlichen Hang zu kriminellem Verhalten. Sie wird die Sache alleine ausbaden
müssen. Es gibt nicht einen Cop in meiner schönen Stadt, der versuchen würde,
Herrn Eberhard Darrow Garrett irgend etwas anzuhängen - dem freigebigen politischen
Schutzherrn. Ich verlasse nie das Königreich New Orleans. Sie ist diejenige,
die immer wieder ein- und ausreist.«
Adriennes Augen waren
vor Schreck weit aufgerissen. Was hatte er gerade
gesagt ?
Gerard lachte. »Wir
haben letzten Monat eine riesige Lieferung in ihrem Mercedes rausgebracht, Eb.
Die Acapulco- Fahrt war einfach brillant.«
Lieferung? Adrienne
dachte rasch nach. Lieferung von was? Geräuschlos trat sie von der Tür zurück.
Dumm. Leichtgläubig.
Unschuldig. Was war so schlimm daran, unschuldig zu sein? fragte sie sich, als
sie durch das dunkle Haus schlich und ihr Schluchzen unterdrückte. Zumindest
war Ehre in der Unschuld. Zumindest hatte sie niemals jemandem weh getan, hatte
niemals jemanden benutzt. Dann war sie vielleicht ein kleines Kind... leichtgläubig.
Vielleicht fehlte ihr auch ein wenig gesunder Menschenverstand. Aber in
anderen Belangen machte sie das mehr als wett. Sie hatte ein gutes Herz. Das
sollte etwas zählen.
Unterdrückte Tränen
schnürten ihr die Kehle zu. Hör auf, tadelte sie sich selbst. Konzentriere
dich! Finde die Dame. Mach, daß du nach Hause kommst. Im 20. Jahrhundert werden
keine Männer wie der Hawk hergestellt, und nach dem Hawk würde kein Mann je
wieder eine Versuchung sein.
Das Torhaus erhob sich drohend vor ihr. Warum hatten
sie sie nicht aufgehalten? Sie wußte, sie waren immer noch da. Vielleicht
wollte er, daß sie sie gehen ließen. Vielleicht war sie so naiv und unbedarft
gewesen, daß er tatsächlich kein Interesse an ihr hatte. Letztendlich würde
ein Mann wie er keine Probleme haben, eine willige Frau zu finden.
Was sollte es des Königs Hure stören? Es würde immer
eine andere Frau geben.
Wütend trat sie gegen einen Kiesel und beobachtete,
wie er gegen die Mauer des Torhauses prallte. Würden sie das Fallgatter
hochziehen und das Ausfalltor für sie öffnen? Den roten Teppich ausrollen, um
ihren Abschied zu feiern?
Doch als sie in den Bogengang eintrat, trat Grimm aus
dem Dunkel.
Sie blieb stehen, erleichtert.
Versuche es noch einmal, sagte sie zu sich. Schreibe diese Szene noch
einmal, Adrienne de Simone. Sie muß lauten: »Sie blieb stehen, wütend, an der
Flucht gehindert zu werden.«
Nein, definitiv erleichtert.
Sie seufzte und ließ die Schultern hängen. »Grimm, laß
mich passieren. Es ist mein Leben. Beweg dich.«
Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mylady.«
»Grimm, ich muß zurück nach Burg Comyn.«
»Warum?«
Sie musterte ihn einen Augenblick in dem anbrechenden
Tageslicht. Er sah wirklich durcheinander aus, und seine Augen suchten
unaufhörlich den nördlichen Außenhof ab, als ob er jemanden erwartete. »Weil
ich Heimweh habe«, log sie. Nun ja, vielleicht nicht ganz eine Lüge - sie
vermißte Moonie wirklich sehr.
»Ah!« Verständnis dämmerte in seinen angenehmen Gesichtszügen.
Er stand vor ihr, breitbeinig, und hatte die muskulösen Arme vor der Brust
verschränkt. »Sucht Ihr etwas?«
»Was?« Er konnte es unmöglich wissen! Oder doch?
»Grimm, hat Lady Comyn - ich meine, meine Mutter - irgend etwas gesagt über...
nun ja... etwas von mir, das ich dort zurückgelassen haben könnte... zu Hause?«
»Zum Beispiel?« fragte Grimm, die Unschuld in Person.
»Ja, zum Beispiel?« wiederholte eine Stimme hinter
ihr. Etwas in seiner Stimme hatte sich entscheidend verändert, und zwar zum
Schlechten. Des Hawks samtenes Raunen hatte die Kälte von glattem, poliertem
Stahl angenommen.
War sie verantwortlich für diese Veränderung?
»Bring sie in das Pfauenzimmer. Verschließ die Tür und
bring mir den Schlüssel, Grimm.«
»Nein!« schrie sie, wirbelte herum und sah ihm ins
Gesicht. »Ich muß gehen! Ich will zur Burg Comyn!«
»Wonach suchst du,
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