Zauber der Begierde
verschlagen? Sie hatte
sie auf jeden Fall nicht mehr. Hatte eines der Dienstmädchen sie an sich
genommen? Würde sie dem widerlichen Red Comyn gegenübertreten müssen, um sie
zurückzubekommen?
Niedergeschlagen
schüttelte sie den Kopf. Die Figur mußte irgendwo auf Burg Comyn sein, und wo auch immer sie war, sie mußte alles daransetzen,
sie zu finden. Diese Figur könnte sie nach Hause bringen.
Würde sie den Weg zurück
zu Burg Comyn finden?
Natürlich, versicherte
sie sich selbst.
Nachdem sie zweitausend Meilen über schäbige
Seitenstraßen gereist war, würde Adrienne de Simone sich überall zurechtfinden.
Aber schnell, solange sie sich noch im Schutz der Nacht befand. Und bevor ihre
Entschlossenheit nachließ.
Dreißig Minuten später war sie fertig. Als sie auf
Zehenspitzen durch die Küche schlich, fand sie einen Sack aus Wachstuch und
füllte ihn mit knusprigen Broten, Käse und ein paar Äpfeln. Tavis schnarchte in
seinem Stuhl bei der Tür, in der Hand ein halbvolles Glas mit - sie schnüffelte
vorsichtig - reinem Getreideschnaps, dem Geruch nach zu urteilen. Noch ein
kurzer Halt beim Grünen Gemach, wo sie die Stiefel zurückgelassen hatte, die
Lydia ihr gegeben hatte, und sie wäre bereit, zu gehen.
Sie schlüpfte aus der
Küche, eilte den kleinen Korridor entlang und stieß die Tür zum Grünen Gemach
auf. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Da schlief der Hawk, ein weißes
Leinenlaken um die Beine gelegt, den Oberkörper frei für die Liebkosung des
Morgens. Sein dunkler Kopf warf sich unruhig auf dem weißen Kissen hin und
her, und er schlief allein - in seinen Armen das Kleid, das sie an dem Tag
getragen hatte, als der Giftpfeil sie traf.
Sie nannten ihn des
Königs Hure, ermahnte sie sich. Vielleicht gab es tatsächlich eine königliche
Ernennung für einen solchen Posten. Oder vielleicht war er einfach so wahllos,
daß er sich den Titel ganz alleine erworben hatte. Es spielte keine Rolle, sie
wollte nie wieder eine von vielen sein.
Adrienne erspähte ihre
Stiefel auf der Holzkiste am Fuße des Bettes. Die Augen vorsichtshalber
abgewandt von ihrem schlafenden Ehemann, nahm sie sie vorsichtig von dem polierten
Deckel aus Pinienholz und schlich auf Katzenpfoten zurück zur Tür, die sie
leise hinter sich schloß.
Und jetzt kam der
schwierige Teil. Überall im Schloß waren Wachen postiert. Sie mußte durch die
Gärten fliehen, über die äußere Brücke zum Torhaus und dann durch den Ostturm.
Sie war schon vor Schlimmerem davongelaufen, und durch üblere Gegenden. Sie
würde es schon schaffen. Sie hatte es noch immer geschafft, wenn es ums
Wegrennen ging.
Hawk öffnete die Augen einen Spalt weit und beobachtete,
wie sie sich davonstahl. Er brummte düster und veränderte seine Haltung. Die
Hände hinter den Kopf gelegt, starrte er einen langen Moment zur Tür.
Sie war dabei, ihn zu
verlassen?
Niemals. Nicht, solange
er lebte und atmete, und er hatte noch verflucht viel mehr Kampfeswillen, als
sie glauben mochte.
Er erhob sich aus dem
Bett und schnappte sich seinen Kilt, den er sich locker um die Hüfte knotete.
So war das also, dachte
er verbittert.
Die ersten Hinweise auf
etwas Unangenehmes in seiner Vergangenheit, und sie wollte wegrennen. Er hatte
sie nicht für so sprunghaft gehalten. Er hatte gedacht, da schlummere eine Frau
von glühendem Feuer unter ihrem seidig-weichen Äußeren, aber nur ein Hauch aus
seiner dunklen Vergangenheit, und sie war bereit, ihn zu verlassen. Nach den
Lustgefühlen, die sie so offensichtlich in seinen Armen ausgekostet hatte,
dennoch - wegzulaufen.
Na, was hatte sie wohl
gedacht, wo zum Teufel er gelernt hatte, Lust zu bereiten?
Oh, nein. Das nächste
Mal, wenn seine Frau in seinen Armen läge, und es würde ein nächstes Mal geben,
würde er einen von diesen Zigeunertränken einnehmen, um sich freizumachen.
Dann würde er ihr wahrhaftig die Vorteile zeigen, die sie aus ebenjener
Vergangenheit ziehen konnte, die sie so vehement ablehnte.
Er bot ihr seine Liebe
an, frei und offen. Er, der niemals mehr gegeben hatte als körperliche Lust für
eine kurze Zeit, für welches Mädchen auch immer, er bot dieser Frau sein Leben
an.
Und dennoch wollte sie
ihn nicht annehmen.
Und sie wußte nicht im geringsten,
was es bedeutete, des Königs Hure zu sein. Olivia hatte ihr davon erzählen
wollen, dort unten, in den Gärten. Olivia, die so skrupellos Hawks Knechtschaft
beim König ausgenutzt hatte, indem sie James ersuchte, dem Hawk zu befehlen,
ihr die
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