Zauber der Begierde
eine Weile
fort sein«, sagte er schließlich, als sie in den Wald traten.
Adrienne verkrampfte
sich. Meinte er das ernst? »Wohin gehst du?« Und wieso störte es sie so sehr?
Er zog scharf den Atem
ein. »Uster.«
»Was ist überhaupt
Uster?«
»Eines meiner
Lehensgüter. Siebzehn Lehensgüter gehören zu Dalkeith. Uster umfaßt die Dörfer
Duluth und Tanamorissey, und ihre Bewohner sind ein zügelloser Haufen. Sie
haben schon Scherereien gemacht, als noch des Königs Männer Dalkeith hielten.«
Als des Königs Männer
Dalkeith hielten.
Als ihr Ehemann des
Königs Hure war.
In den letzten Wochen
hatte sich die Hitze von Adriennes Wut abgekühlt und einen nagenden Schmerz
hinterlassen. Hawk hatte sie weitgehend gemieden, mit Ausnahme der
gelegentlichen Zwischenfälle, bei denen er scheinbar versuchte, aus
irgendwelchen Gründen mit ihr einen Streit vom Zaun zu brechen. Sie hatte fast
damit gerechnet, daß er sie in sein Zimmer einschloß, aber seit jener
furchtbaren Nacht hatte er sich vorsichtig in sein Arbeitszimmer an der
Seeseite zurückgezogen. Dort hatte er jede Nacht verbracht - so still, so
schön, und so allein.
»Hawk?« begann sie
zögerlich.
»Ja?«
»Was genau hat des
Königs Hure getan?«
Hawk verkrampfte sich. Konnte dies die Chance sein,
auf die er gewartet hatte? Vielleicht durfte er trotz allem noch hoffen. Sein
Lachen war voll von bitterer Selbstverhöhnung. »Bist du ganz sicher, daß du das
wissen möchtest, liebliche Adrienne?«
Hinter einer riesigen Eiche lauernd, studierte
Esmeralda Adriennes silbrig-blonde Mähne, ihre silbrigen Augen und ihr
strahlendes Gesicht. Was sah der Hawk nur in diesem dürren, fahlen Mädchen, was
er nicht in Esmeraldas üppiger Umarmung finden konnte?
Zum ersten Mal seit
Wochen waren die Wachen abgezogen, und das Miststück lief ungeschützt herum,
so daß Esmeralda zuschlagen und dann in den Schutz des dunklen Waldes flüchten
konnte. Ihr geliebter Hawk würde möglicherweise eine Zeit der Trauer erleiden
müssen, aber in Esmeraldas
Armen würde er Trost und süße Leidenschaft finden,
sobald die Erde über Adriennes Grab zur Ruhe gekommen wäre.
Sie hob den Pfeil, ihre
Hand zitterte. Mit finsterem Blick grub sie die eingekerbte Spitze in ihre
Handfläche, bis das Blut über ihre goldbraune Haut floß. Sie verzog vor Schmerz
das Gesicht, aber es beruhigte ihre Nerven. Dieses Mal würde sie nicht versagen. Esmeralda hatte ihre Waffe
sorgfältig ausgesucht. Gift hatte sich als zu unsicher erwiesen - ihr gezogener
und gespannter Bogen würde den Pfeil zuverlässig losschicken, mit genügend
Wucht, um in Fleisch und Knochen von Adriennes Brust steckenzubleiben.
Esmeralda kniete sich
hin und wickelte die lederne Sehne enger. Sie legte den Pfeil in die Kerbe und
legte an, als Adrienne auf eine Lichtung trat. Sie kam beinah ins Wanken, als
sie den Ausdruck in Hawks Gesicht sah, als er seine Frau anblickte. Er liebte
Adrienne, wie Esmeralda ihn lieben wollte: mit
einer wilden, fordernden, grenzenlosen Leidenschaft. Mit dieser Erkenntnis
verflog jegliches Mitgefühl, das Esmeralda für Adrienne hätte empfinden
können. Sie spannte den Bogen und zielte auf Adriennes Brust. Mit einem leisen Wuusch schnellte der Pfeil von der Sehne.
Esmeralda unterdrückte einen Aufschrei. In letzter
Sekunde drehte der Hawk sich um, fast so, als habe er sie im Dunkeln lauern
sehen oder den Flug des Pfeils gespürt. Er bewegte sich. Nein!
»Ummmf!« Adrienne stöhnte, als Hawk ihr einen
kräftigen Schlag ins Gesicht versetzte und sie gegen einen Baum schleuderte.
Adrienne rang mit seinem
Rücken, aber er war ein unbeweglicher Berg. Beabsichtigte er so, sie
zurückzugewinnen?
Nach Wochen vorsichtiger Zurückhaltung brachte er sie
in den Wald, um sie zu vergewaltigen?
»Unnf!« Sein Atem
zischte leise, und sie stieß härter gegen seinen Rücken. »Was tust du, Hawk?«
wollte sie wissen, aber er antwortete noch immer nicht.
Hawk erschauderte und
kämpfte gegen die Schmerzen an, während seine Augen die Bäume absuchten. Er
spürte, wie ihn die Kräfte verließen, aber er konnte der Schwäche noch nicht
nachgeben. Nicht, solange er denjenigen, der versuchte, seine Frau zu töten,
nicht gefunden und zur Strecke gebracht hatte. Doch die Sträucher blieben
still. Der Attentäter war geflohen, aus welchem Grund auch immer. Hawk spürte,
wie Erleichterung ihn durchströmte, als das Blut aus seiner Wunde floß.
Er taumelte und brach vor Adriennes Füßen zusammen,
und sie schrie
Weitere Kostenlose Bücher