Zauber der Hoffnung
Glück, dass Chester rechtzeitig aus dem Weg sprang, als sie sich hastig mit dem Stuhl vom Fenster zurückrollen ließ. Sekunden später klopfte Riley an die Hintertür und kam herein, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Er schien das gesamte Haus auszufüllen, groß und männlich, dieses Haus, das sie nach Jeffs Auszug recht mädchenhaft eingerichtet hatte.
„So. Jetzt solltest du, was die Bäume betrifft, einige Zeit Ruhe haben.“
„Zumindest bis zum nächsten Sturm. Vielen Dank für deine Hilfe.“
Er zuckte die Achseln. „Gern geschehen. Ich habe heute frei, außerdem verbringe ich meine Zeit lieber im Freien bei der Gartenarbeit, anstatt in meinem Büro irgendwelchen Papierkram zu erledigen.“
„Möchtest du etwas essen? Ich habe ein paar Sandwiches gemacht.“ Sie deutete verlegen auf den Tisch. Die Brote waren krumm und schief und lagen auf nicht zusammenpassenden Tellern, die sie aus der Spülmaschine geholt hatte. An die oberen Schränke reichte sie nicht heran.
Aber Riley schien das nicht aufzufallen. „Du hast Schmerzenund kannst dich kaum bewegen. Da solltest du dich nicht darum kümmern, ob ich was zu essen kriege.“
„Mir geht es gut. Großartig sogar.“ Sie fügte nicht hinzu, dass sie sich beim Belegen dieser mitleiderregenden Sandwiches nützlicher gefühlt hatte als seit Wochen. „Und außerdem ist es doch nur ein Sandwich, Riley. Und kein Fünf-Gänge-Menü, wie Alex es kochen würde.“
„Dann vielen Dank“, sagte er nach einem Moment. „Das sieht köstlich aus, und ich bin tatsächlich am Verhungern. Doch zuerst sollte ich mir die Hände waschen.“
„Das Badezimmer ist den Flug entlang, die erste Tür links.“ Als er kurz darauf zurückkam, war sein Haar feucht, Wassertropfen hingen noch an seinem Hals.
Er sah wundervoll aus. Sie hingegen machte nun wirklich nicht gerade viel her. Sie trug ein schlichtes, mit winzigen blauen Blütenblättern bedrucktes Baumwollkleid, da sie dieses bequem über den Kopf an- und ausziehen konnte. Ihr Haar hatte sie zusammengebunden und zumindest etwas Make-up aufgelegt, wenn auch nicht sehr geschickt.
Er setzte sich auf den Stuhl am Tisch und blickte sich in ihrer sonnigen, gemütlichen Küche um.
„Ich muss schon sagen, hier hat sich einiges verändert, seit diese fiese, gruselige Mrs Schmidt hier gewohnt hat.“
„Sie war weder fies noch gruselig. Nur alt und einsam.“ „Siehst du immer nur das Gute in den Menschen?“
Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. „Wenn man sich die Zeit nimmt, dann entdeckt man an jedem etwas Gutes.“
„Vielleicht solltest du mal ein, zwei Tage bei der Polizei arbeiten. Das würde deinen Blick aufs Leben erheblich verändern.“ Er nahm eine Gewürzgurke aus dem Glas, das sie mit großer Mühe aus dem oberen Fach des Kühlschranks genommen hatte.
Sie trank einen Schluck Wasser. „Nein, besten Dank. Ich bleibe lieber in meinem Perlenladen. Ich bin gern dumm und naiv.“ „Ich habe dich weder das eine noch das andere genannt. Ehrlich gesagt, finde ich es sogar … süß.“
Sie wollte nicht süß sein. Zumindest nicht in Rileys Augen. „Also, erzähl mir von deinem Haus“, bat er. „Wie bist du zur stolzen Besitzerin von Mrs Schmidts baufälligem alten Steinhaufen geworden?“
„Ich habe schon als Schulmädchen immer davon geträumt, einmal hier zu wohnen“, gestand sie.
„Obwohl es so gruselig ausgesehen hat mit den Spinnweben und den schiefen Fensterläden?“
„Ich hab unter dem ganzen Staub und Dreck immer das Schmuckstück wahrgenommen, was es in Wirklichkeit war. Die Bausubstanz war gut, und ich wusste, mit ein bisschen Arbeit könnte man es zum Funkeln bringen.“
„Also hast du dir deinen Traum erfüllt.“
„Mrs Schmidt starb, ein paar Monate bevor Jeff mit seiner Facharztausbildung fertig war. Als wir uns nach einem Haus umschauten, wollten ihre Kinder das Haus gerade wieder vom Markt nehmen. Unser Immobilienmakler hat mit ihnen Kontakt aufgenommen, und wir haben es einfach gekauft.“
Jeff hätte lieber ein neues Haus gebaut, etwas Modernes und Luftiges, doch sie hatte ihn davon überzeugt, dass dies das perfekte Heim war, wo sie Kinder großzuziehen konnten.
Sie wunderte sich noch immer über ihre Ignoranz – dass sie nicht gesehen hatte, wie sehr sich Jeff über die Jahre verändert hatte.
„Habt ihr das ganze Haus entkernt?“
„Mehr oder weniger. Wir haben ein ganzes Jahr harte Arbeit hineingesteckt, bis daraus das Heim wurde, das wir uns vorgestellt hatten.“
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