Zauber der Leidenschaft
einfache Aktion, mit der er ihre Fähigkeit, Illusionen zu erschaffen – ihre einzige Verteidigung –, effektiv gebannt hätte.
»Du hast eine Grenze überschritten, als du mein Zimmer betreten hast, Bruder.«
»War das nicht einfach nur eine Formalität? Eine, die schon bald überflüssig sein wird?« Er tastete ihre Gedanken ab, aber sie hatte gelernt, Eindringlinge vollkommen abzublocken. Häufig verlangte er von anderen, ihm ihre Gedanken offenzulegen, aber von Sabine nie, als ob er tief in seinem Innersten nicht wirklich wissen wollte, was sie für ihn fühlte.
»Was soll das heißen?«
»Mit Rydstroms Gefangennahme sind wir dem … Unvermeidlichen einen Schritt nähergekommen.«
Wie lange werde ich Omort wohl noch hinhalten können? Sein unerlaubtes Eindringen in ihr Zimmer ließ nichts Gutes erahnen. Sobald sie ihre Jungfräulichkeit dem Dämon geopfert und das Kind zur Welt gebracht hatte, würde das Sanktuarium sie nicht mehr beschützen. Sie hatte nicht gedacht, dass er wie ein Geier lauern würde, vor allem nicht, da er doch Hettiah hatte.
Als er sich dem Bett näherte, täuschte sie Gleichmut vor, wenn auch mit Mühe. »Was willst du?«
»Deine Tafel an der östlichen Wand ist immer noch intakt. Es läuft wohl nicht so gut mit deinem Gefangenen?«
»Er ist genauso entschlossen und dickköpfig, wie du gesagt hast.«
»Vielleicht sollte ich zu ihm gehen und …«
»Nein! Das geht nicht! Er muss nicht unbedingt an unsere Verbindung erinnert werden«, sagte sie und schickte hastig eine Frage hinterher. »Wie läuft die Suche nach einem Orakel?« Sie befanden sich in einem Teufelskreis: Jede Hellseherin, die sie aufspürten, war schwächer als die vorherige. Jede von ihnen machte unweigerlich Fehler und wurde exekutiert. Und dann ersetzte eine noch schwächere die tote Wahrsagerin. »Irgendjemand Passendes gefunden?«
Er warf ihr einen Blick zu, der sie wissen ließ, dass er sich des Themenwechsels bewusst war und ihn gestattete. »Ich habe eine auserwählt und fünf Dämonen ausgesandt, um sie abzuholen.«
Sie abzuholen. Orakel dreihundertsechsundfünfzig war eine Freiwillige gewesen, keine »Akquirierung« Omorts. Einige Frauen boten ihre Dienste aus freien Stücken an. Zweifellos glaubten sie schlauer, besser, weniger entbehrlich zu sein. Doch das waren sie nie.
»Es ist von entscheidender Bedeutung, dass uns so bald wie möglich wieder ein Orakel zur Verfügung steht«, sagte sie in gemessenem Tonfall. Sabine musste bei diesem Thema vorsichtig vorgehen, da es sich um eines handelte, bei dem Omort sehr wütend werden konnte.
Er hatte einst einem Orakel die Gabe der Weitsicht geraubt, besaß allerdings keinerlei Talent dazu, die Visionen, die er erhielt, zu interpretieren. Das Ganze hatte ihn nur noch gestörter gemacht, sodass selbst er sich gezwungen sah, auf diese Fähigkeit zu verzichten.
»Das wird es«, sagte er geistesabwesend, während er durch ihr Zimmer schlich, ihre Sachen begutachtete und ab und zu innehielt, um hier und da ein Buch in die Hand zu nehmen. Sie lagen überall stapelweise herum. Die meisten gehörten Rydstrom und behandelten die Geschichte dieses Königreiches. Sie studierte ihn schon seit Jahren.
»Ich hatte gar nicht gewusst, dass du dich mit meinem Feind so gut auskennst.«
»Ich nehme dies sehr ernst – es ist meine Gelegenheit, mehr Macht für den Pravus zu gewinnen.«
»Ja, auch ich habe ihn studiert. Rydstrom fasziniert mich schon seit Langem.« Achtlos blätterte er durch einen uralten Band, um ihn gleich darauf in eine Ecke zu werfen. »Glaubt er, dass du die Seine bist?«
»Ich denke schon.«
Omort lächelte, wobei seine makellosen weißen Zähne sichtbar wurden, aber seine Augen lächelten nicht. »Wie enttäuscht der Dämon gewesen sein muss.« Er setzte sich neben ihr aufs Bett.
Ruhig … ruhig … lenk ihn ab. »Was ist in jener Nacht passiert, als ihr aufeinandergetroffen seid? Als das Königreich fiel? Ich habe die Aufzeichnungen gelesen, aber die Einzelheiten sind unklar.«
»Ich war einen geheimen Pakt mit dem König der Horde, Demestriu, eingegangen. Er griff Rydstrom immer wieder an, dezimierte seine Armeen und führte schließlich einen Überraschungsangriff durch. Rydstrom war gezwungen, die Burg zu verlassen, um sich zu verteidigen. Und ich eroberte Tornin. Die Burg war ungeschützt, da Rydstroms Erbe, Cadeon, sich seinem Befehl, die Festung zu verteidigen, widersetzte.«
»Aber warum sollte er das tun?« Nach allem, was sie über den
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