Zauber des Orients
unberührt zur Seite. Sahar riss ihn fort und knallte ihm praktisch eine Schale mit Baklava vor die Nase. Ein Stück von dem klebrigen Teig blätterte ab und fiel ihm in den Schoß.
Er schaute erst Sahar an, dann die Schale und schließlich wieder seine Dienerin.
„Entschuldigung“, sagte sie ohne jedes Bedauern.
Nur ein Idiot hätte das nicht bemerkt.
„Beschäftigt dich irgendetwas, Sahar?“, fragte er ruhig.
„Nein. Ja! Natürlich beschäftigt mich etwas“, fauchte sie, „aber ich bezweifle, dass Sie es hören wollen.“
Tariq zog die Augenbrauen hoch. Diese Frau stand seit Ewigkeiten im Dienst der königlichen Familie, und dies war das erste Mal, dass sie nicht höflich und – verdammt noch mal – unterwürfig war.
„Sie haben sie weggeschickt!“
„Ich habe sie …“ Seine Miene verdüsterte sich. Er schob den Stuhl zurück und stand auf. „Treib es nicht zu weit! Wenn du glaubst, dass ich meine persönlichen Angelegenheiten mit dir …“
Sahar griff in ihre Tasche, holte etwas heraus und knallte es auf den Tisch.
Es war die goldene Diamantkette.
„Sie hat das dagelassen.“
„Sie hat auch alles andere dagelassen. Na und?“
„Sie hat nicht alles andere dagelassen!“
„Zur Hölle, Frau, wenn du noch ein Wort sagst … Was meinst du damit, sie hat nicht alles andere dagelassen?“
„Das Liebesamulett. Mit dem Stein und der Feder und dem Pferdehaar, das gerade mal einen Bruchteil von dieser Diamantkette gekostet hat. Das hat sie mitgenommen!“
„Ich verstehe nicht, was dich das angeh…“
„Ja, das ist korrekt, Mylord “, sagte sie, und sein Titel klang so höhnisch, dass es ihn schockierte. „Sie verstehen über haupt nichts!“
Tariq verengte die Augen. „Ich warne dich, Sahar…“
„Sie hat den Diamanten hiergelassen, aber das Amulett mitgenommen.“ Sahar kreuzte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. „Sie hat das Amulett getragen. Das weiß ich, weil ich es ihr anlegen musste. Sie weinte. Ihre Hände zitterten. Sie war zu verzweifelt, um es selbst zu tun.“
Tariq spürte, wie sich ganz schwach in seinem Herzen etwas regte. „Na und?“
„Ihre Frau“, sagte Sahar so langsam, als hätte sie es mit einem minderbemittelten Kind zu tun, „ist unter Tränen von hier fortgegangen und hat ein Amulett aus dem Suk getragen anstatt eine Diamantkette, die ein Vermögen wert ist.“ Sie hob eine Augenbraue. „Jeder Narr weiß, was das bedeutet.“
Tariq bekam einen trockenen Mund. War er ein Narr? Warum wählte eine Frau billigen Tand gegenüber echten Juwelen?
„Vielleicht“, vermutete er, „wollte sie ein Souvenir. Etwas, das sie daran erinnert, wie … wie primitiv dieser Teil der Welt ist.“
„Mylord.“ Sahar holte tief Luft. „Wenn Sie nicht der Kronprinz wären, wenn Sie nicht die Macht über Leben und Tod in Ihren Händen hielten … dann würde ich Ihnen jetzt sagen, dass Sie der größte Narr sind, weil Sie nicht erkennen, dass Ihre Frau Sie liebt.“
„Das tut sie nicht“, versetzte er und ignorierte alles andere, weil das die einzigen Worte waren, die zählten. „Und ich liebe sie auch nicht.“
„Sie liebt Sie, Mylord! Und Sie lieben sie. Und wenn Sie ihr jetzt nicht folgen, dann werden Sie es Ihr ganzes Leben lang bereuen!“
Schweigen. Dann schien Sahar zu erkennen, was sie alles gesagt hatte. Sie wurde ganz blass und versank in einem derart tiefen Knicks, dass Tariq sie an den Händen packen und hochziehen musste.
„Vergeben Sie mir“, stammelte sie. „Ich weiß nicht, was über mich gekommen …“
Tariq umfasste ihr rundes Gesicht und presste einen schmatzenden Kuss auf ihre Lippen.
Dann rannte er aus dem Raum.
Madison war endlich eingeschlafen.
Das monotone Dröhnen der Maschine hatte sie an einen Ort geführt, an dem sie nicht mehr weinen konnte über all das, was sie in so kurzer Zeit gefunden und wieder verloren hatte.
Erst eine Veränderung im Motorengeräusch weckte sie. Sie waren gelandet. Das Flugzeug bewegte sich nicht. Sie setzte sich in ihrem Sitz auf, zog die Vorhänge zurück und schaute hinaus.
Sie standen auf einer Landepiste, eingerahmt von Mondlicht und Stille.
Rasch drückte sie den Knopf nach Yusuf. Sie drückte ihn erneut, doch er kam nicht. Madison löste ihren Gurt, stand auf und ging in den vorderen Teil der Kabine.
Die Tür zum Cockpit stand offen. Pilot und Copilot waren verschwunden. Sie war völlig allein.
Sie spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten.
„Hallo? Ist da
Weitere Kostenlose Bücher