Zauber-Schloss
aus.
»Wir wollten einen zukünftigen König von Xanth doch nicht unbewacht herumziehen lassen«, bemerkte Humfrey. »Vor allem nicht, da es um unsere Geschichte ging. Nicht, daß wir etwas dagegen hätten unternehmen können, nachdem der Wandteppichzauber erst einmal aktiviert worden war. Aber trotzdem, als Erfahrung aus zweiter Hand –«
»War es wirksam?« fragte Dor. »Ich meine, habe ich wirklich den Lauf der Geschichte verändert?«
»Diese Frage wird sich wohl nie völlig zufriedenstellend beantworten lassen. Ich würde sagen, du hast sie beeinflußt, und du hast es nicht.«
»Eine typische Gnomantwort«, meinte Grundy.
»Man muß dabei den Gesamtzusammenhang der Geschichte Xanths berücksichtigen«, fuhr der Magier fort. »Eine ganze Serie von mundanischen Eroberungswellen, bei denen die Bevölkerung immer wieder dezimiert wird. Wenn jeder Mensch ununterbrochen gelebt und sich fortgepflanzt hätte, dann hätte jede Unterbrechung dieses Vorgangs viele unserer heutigen Bewohner gar nicht zustande kommen lassen, nämlich alle Nachfahren dieser betreffenden Menschen. Aber wenn andererseits die nächste Welle sie sowieso ausgelöscht hätte –« Er zuckte mit den Achseln. »Das hätte gewaltige Veränderungen bewirken können, die schon ein oder zwei Generationen später wieder zunichte gemacht wurden. In einem solchen Fall gäbe es auch keine Paradoxie hinsichtlich unserer eigenen Epoche. Ich würde sagen, daß der Kampf um das ursprüngliche Schloß Roogna wirklich war und daß du diese Realität verändert hast. Du hast das Skript umgeschrieben. Aber du hast nur die Einzelheiten dieser betreffenden Episode verändert, nicht den Gesamtverlauf der Geschichte. Ist das überhaupt so wichtig?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Dor.
»Was nun diese Seite betrifft, die ich gerade gelesen habe«, fuhr Humfrey fort. »Es sieht so aus, als machtest du dir Gedanken über deine Mannbarkeit. Ist es dir mal in den Sinn gekommen, daß du vielleicht mehr von einem Mann an dir hattest, gerade weil du das Angebot der Maid abgelehnt hast, als wenn du es angenommen hättest?«
»Nein«, räumte Dor ein.
»Ein Mann zu sein bedeutet noch etwas mehr als bloß Sex.«
Wie auf ein Stichwort trat die Gorgone ins Zimmer, in ein wunderbar aufreizendes Kleid gehüllt, doch immer noch ohne Gesicht. »Das ist nichts als männliche Propaganda«, sagte sie in die Stille hinein. »Eine Frau zu sein bedeutet tatsächlich mehr als nur Sex, aber der Mann ist ein viel simplerer Organismus.«
»Ohoooo! Was faselst du denn da?« rief Grundy und rieb mit einer verdammenden Geste seine Zeigefinger aneinander.
»Organismus, habe ich gesagt«, antwortete sie. »Und du bist ein perfektes Fallbeispiel für das, was ich meine.«
»Raus hier, beide!« fauchte Humfrey. »Der Magier und ich versuchen gerade, ein ernstes Gespräch zu führen.«
»Ich dachte schon, du würdest es nie sagen«, erwiderte Grundy. Er sprang der Gorgone auf die Schulter und spähte in das von Schlangenlocken umrahmte Nichts. Eine der winzigen Schlangen zischte ihn an. »Schleich dich, du Schleiche!« bellte er, und die Schlange wich zurück. Er blickte die ehrfurchtgebietende Fülle ihres Körpers hinab. »Komm, Süße, gehen wir auf ein Häppchen in die Küche.«
Als Humfrey und Dor wieder allein waren, blätterte der Gute Magier geistesabwesend einige Seiten in seinem Buch um. »Ich war überrascht zu erfahren, daß das Schloß des Zombiemeisters sich genau an diesem Ort befunden hat«, sagte er. »Wenn er heute noch lebte, würde ich mein Schloß gern mit ihm teilen. Er war ein wirklich bemerkenswerter Magier und dazu noch ein feiner Mann.«
»Ja«, stimmte Dor ihm zu, »er war der eigentliche Schlüssel zu König Roognas Erfolg. Er hat etwas Besseres verdient als diese schlimme Tragödie.« Wieder durchflutete ihn ein Gefühl der Reue.
Humfrey seufzte. »Was geschehen ist, ist nun geschehen.«
»Äh, habt Ihr der Gorgone bereits Eure Antwort gegeben?«
»Noch nicht. Ihr Jahr ist noch nicht um.«
»Ihr seid wirklich der merkantilste Mensch, den ich kenne«, sagte Dor bewundernd. »Jedesmal, wenn ich schon glaube, endlich Eure schlimmste Seite gesehen zu haben, steigert Ihr Euch noch. Werdet Ihr sie denn heiraten?«
»Was meinst du?«
Dor stellte sich wieder den Körper der Gorgone mit seinen wahrhaft geschichtsträchtigen Ausmaßen vor. »Sie ist ein absoluter Heuler. Wenn sie Euch haben will, seid Ihr sowieso verloren. Sie braucht gar kein Gesicht, um einen
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