Zauber-Schloss
Floh!« rief Dor. »Der sich in meinem Haar verborgen hielt und mich andauernd piesackte! Das war also der Mundanier!«
»Halt die Klappe, solange ich übersetze!« schnauzte Grundy. »Dieses Lippenlesen ist ganz schön schwierig.« Er fuhr fort: »Dieses Wesen hat alles versucht, um mich zu vernichten. Es hat mich an einem Seil über die Spalte gezerrt, hat mich unter Zombies gesteckt, und ich mußte ganz allein gegen eine ganze Armee von Ungeheuern ankämpfen –«
»Also das ist aber wirklich erlogen!« rief Dor zornig.
»Und dann diese schreckliche Riesenspinne!« fuhr der Dolmetscher fort. »Ich habe Tag und Nacht in der Furcht gelebt, daß sie mal meinen Flohkörper entdecken würde und –« Der Barbar erschauerte. »Endlich habe ich mich befreien können. Doch ich bin müde und hungrig. Darf ich über Nacht bleiben?«
Die Frau musterte ihn von oben nach unten. »Für eine solche Geschichte kannst du gleich drei Nächte bleiben! Kennst du noch mehr davon?«
»Viele«, sagte der Barbar bescheiden.
»Niemand, der derart lügen kann, kann durch und durch schlecht sein.«
»Stimmt«, pflichtete er bereitwillig bei.
Sie lächelte. »Ich bin Witwe. Mein Mann wurde von einem Drachen geröstet. Ich brauche einen Mann, der den Hof bestellt – einen kräftigen, geduldigen Mann, nicht zu klug, der bereit ist…« Sie spreizte die Hände und drehte sich halb um, wobei sie tief einatmete.
Der Barbar bemerkte ihr Einatmen. Es war ein guter Atemzug, die Art, auf die Barbaren zu achten pflegten. Er lächelte. »Na ja, allzu geduldig bin ich nicht.«
»Das muß auch nicht sein«, sagte die Frau.
Dor wandte sich zufrieden ab. Sein früherer mundanischer Körper würde also so glücklich werden, wie er es verdiente.
Irgendwie erinnerte ihn die Szene an Cedric Zentaur. Wie er wohl mit Celeste, der frechen Stute, zurechtkam? Doch Dor verkniff es sich, nachzuschauen, schließlich war es ja nicht mehr seine Angelegenheit.
Da entdeckte er etwas anderes an einer Ecke des Wandteppichs. Dort war der winzige Hüpfer und winkte. Neben ihm war eine weitere kleine Spinne zu erkennen. »Du hast ja einen Freund gefunden!« rief Dor.
»Das ist kein Freund, das ist seine Partnerin«, sagte Grundy. »Sie will wissen, wo er die ganzen fünf Jahre gesteckt hat, die er fort war. Als er dann durch das Herausfallen des Elixierfläschchens auf dich aufmerksam wurde, hat er sie herbeigeholt, damit sie dich kennenlernt.«
»Sag ihr, daß es stimmt, daß alles stimmt«, sagte Dor. Und dann: »Fünf Jahre?«
»Zwei Wochen nach deiner Zeitrechnung. Ihm ist es auch nur wie zwei Wochen vorgekommen. Aber zu Hause –«
»Ah, verstehe.«
Dor wechselte ein paar Nettigkeiten mit der skeptischen Frau Hüpfer, verabschiedete sich von seinem Freund, versprach, den nächsten Tag-Monat wiederzukommen und verließ erleichtert den Salon.
»Du bewegst dich mit neuem Selbstvertrauen«, bemerkte Grundy. Er wirkte traurig. »Du wirst mich wohl nicht mehr lange brauchen.«
»Das ist der Preis des Erwachsenwerdens«, sagte Dor. »Eines Jahres werde ich heiraten, dann kannst du der Leibwächter meines Sohnes werden, genau wie bei mir.«
»He!« rief der Golem geschmeichelt.
Sie verließen das Schloß und begaben sich zu Dors Hüttenkäse. Als er sich seinem Zuhause näherte, fühlte er sich immer beunruhigter, aber auch von Sehnsucht erfüllt. Seine Eltern mußten sich eigentlich noch auf ihrer Mission in Mundania befinden; nur Millie würde dort sein. Millie die Maid, Millie das Gespenst, Millie die Kinderschwester. Was hatte die Gehirnkoralle in seinem Körper wohl zu ihr gesagt? Was sollte er jetzt sagen? Ob sie überhaupt eine Vorstellung davon hatte, was in den vergangenen beiden Wochen geschehen war?
Dor nahm sich zusammen und trat ein. Er klopfte nicht an, denn schließlich war es ja seine eigene Hütte. Er war nur der kleine Junge, um den Millie sich kümmerte; sie wußte nicht – und durfte es nie erfahren –, daß er auch der Magier war, der damals wie ein mundanischer Krieger ausgesehen hatte.
»Sag mal«, fragte Grundy, während sie durch das vertraut-unvertraute Haus auf die Küche zu schritten, »welchen Namen hast du eigentlich im Wandteppich benutzt?«
»Meinen eigenen, natürlich. Meinen Namen und mein Talent –«
O nein! Wenn es in Xanth zwei Dinge gab, an denen man jemanden zu erkennen pflegte, dann waren es sein Name und sein Talent. Er hatte sich mit seiner Gedankenlosigkeit selbst verraten!
»Bist du es, Dor?« rief Millie
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