Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Putzkolonne der Salzburger Festspiele war schneller.
Die haben noch in der Nacht alles sauber gemacht. Auch in den anderen Räumen.«
Wir sind
ein großes Räderwerk, das perfekt funktionieren muss, von den Servicekräften bis
zu den Künstlern. So ähnlich hatte es die Pressechefin ausgedrückt, als Merana sie beim
Jedermann-Fall kennen gelernt hatte. In diesem Fall war das Räderwerk leider zu
perfekt. Schade. Eine säumige Reinigungstruppe hätte ihnen vielleicht zu einigen
wichtigen Hinweisen verholfen. Aber Ermittlungsarbeit funktionierte nicht wie ein
Wunschbrief ans Christkind. Sie würden auch so weiterkommen. Wie immer. Es war ein
Geduldsspiel.
»Was wissen
wir über die Stiftung?«
Braunberger
blätterte wieder in seinen Unterlagen. »Die Sängerin gründete die Anabella Todorova-Stiftung
vor fünf Jahren. Zur Zeit werden sieben Ausnahmetalente unterstützt, drei Sänger
und vier Streicher. Vor kurzem wurde auch ein eigenes Stiftungs-Streichorchester
ins Leben gerufen. Finanziert wird die Stiftung über Zuwendungen von Anabella Todorova
selbst und einigen Sponsoren. Den Hauptbrocken steuert das Unternehmen des Herrn
Stiefvater bei, die ›Rodion Shiroff Group‹.« Der Abteilungsinspektor schloss sein
braunes, speckiges Notizbuch.
Mein guter
Otmar wird bei Internetrecherchen zunehmend besser. Er hat die meisten Details aller
bisherigen Fälle immer noch im Kopf. Er kann im Wissen um das Technikarsenal der
KPU, der Kriminalpolizeilichen Untersuchung, locker mit Thomas Brunner mithalten.
Aber er schreibt seine Notizen nach wie vor in ein altes braunes Notizbuch, das
aus den Beutebeständen des Dreißigjähren Krieges zu kommen schien. Merana musste
aufs Neue innerlich über seinen besten Fährtenhund lächeln. Und wenn es sein musste,
dann konnte der Herr Abteilungsinspektor auch ein Franz-Beckenbauer-Zitat richtig
zuordnen. »Ich schlage vor, wir machen noch einmal eine genaue Einteilung«, mischte
sich nun die Chefinspektorin ein. »Wer kümmert sich in welcher Form um das Bewegungsprofil
sämtlicher Personen im Innenbereich des Festspielhauses? Ich schlage vor, wir konzentrieren
uns zunächst auf die Vorgänge während der Pause. Das wird wohl die kritische Zeit
sein, in der Anabella Todorova das Gift einnahm, freiwillig oder unfreiwillig. Erst
dann dehnen wir den Zeitrahmen aus. Um effizient zu sein, machen wir eine genaue
Zuordnung, am besten aufgeteilt nach Sparten: Orchester, Chor, Solisten, technisches
Personal, Regieteam, Maske, Garderobenkräfte, Verwaltung und allfällige andere Personen,
die hier noch nicht erfasst sind.«
Merana stand
auf. »Danke, Carola, kannst du das bitte gleich organisieren? Ich muss in die Stadt.«
Er hatte einen Termin. Im Allerheiligsten des Festspielhauses.
»Lieber Herr Kommissar, danke, dass
Sie es einrichten konnten, zu mir zu kommen.« Der kleine Mann ergriff Meranas Hand
und schüttelte sie kräftig. Jean Pierre Vital, der Intendant der Salzburger Festspiele,
war gut einen Kopf kleiner als der Kriminalist. Merana hatte ihn vor einem Jahr
bei seiner Untersuchung zum Jedermann-Fall kennen gelernt. »Entschuldigen Sie vielmals,
dass Sie warten mussten.« Er bot ihm einen Besucherstuhl an. Merana war eine Viertelstunde
im Vorzimmer gesessen, weil sich das Fernsehinterview der ARD mit dem Intendanten
hingezogen hatte. Und das nächste Team wartete bereits. Schon vor dem Festspielhaus
war Merana die große Anhäufung von Kamera-Teams und Presseleuten aufgefallen. Es
waren weit mehr Journalisten unterwegs als sonst. Kein Wunder. Seit sich die Nachricht
verbreitet hatte, dass der Tod der Todorova kein gewöhnlicher Unfall war, sondern
nach Verbrechen oder Selbstmord aussah, glich der Festspielbezirk einem Hornissennest.
»Es wäre mir selbstredend lieber gewesen, wir hätten einander bei einer erfreulicheren
Gelegenheit wiedergesehen«, eröffnete der Festspielleiter das Gespräch. Das stattliche
Büro des Intendanten hatte sich seit seinem letzten Besuch kaum verändert. Natürlich
hingen an den Wänden nicht mehr die Premierenankündigungen vom Vorjahr, sondern
die Plakate der diesjährigen Produktionen. Die spärliche, aber geschmackvolle Einrichtung
verlieh dem Raum etwas Spartanisches. Der Asparagus in der Ecke war verschwunden,
ausgetauscht durch eine mittelgroße Fächerpalme. Vor allem war das große Bild noch
an seinem Platz, das schon beim letzten Mal Meranas Aufmerksamkeit angezogen hatte.
Das Gemälde zeigte die Jungfrau Maria im roten Kleid, auf einer
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