Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
den ersten Eindruck an einen billigen Spruch
aus einem chinesischen Glückskeks. Doch Merana wusste aus seiner langen Erfahrung
als Ermittler, dass der kleine Mann auf dem Stuhl vor ihm recht hatte. Manchmal
halfen ihm bei seinen Untersuchungen in der Tat plötzlich Hinweise, die er davor
gar nicht beachtet hatte. Ehe er aufstand, stellte er noch eine Frage. »Ich nehme
an, Sie kennen Waldemar Bernhold?«
Jean Pierre
Vital zögerte einen Moment mit der Antwort. »Ja, natürlich. Warum fragen Sie?«
»Ist er
in Salzburg? War er gestern bei der Premiere?«
»Das entzieht
sich leider meiner Kenntnis. Ich habe ihn nicht gesehen. Aber wenn Sie möchten,
kann ich das vielleicht rausfinden lassen.«
»Würden
Sie ein historisches Instrument, eine Meistergeige von Waldemar Bernhold kaufen,
Herr Doktor Vital?«
Wieder zögerte
der kleine Mann mit der Antwort. Dann sagte er:
»Ich sehe
mich leider nicht in der finanziellen Lage, mir ein solches Instrument leisten zu
können, aber wenn, dann würde ich die Firma ›John and Arthur Beare‹ in London vorziehen!«
Nach seinem Gespräch mit Robert Neuenberg hatte Merana etwas in der Art erwartet.
Die Wolken hatten sich von Westen
her verdichtet, als Hebenbronn in seinem Haus am Fuschlsee ankam. Wie große dunkelgraue
Marmorplatten mit ausgefransten Rändern pflasterten die Wolkengebilde den gesamten
Himmel zu. Die drückende Atmosphäre passte zu Hebenbronns Stimmung. Er fluchte,
als die Fernbedienung fürs Garagentor wieder einmal nicht funktionierte. Er rutschte
schwer atmend vom Sitz seines Mercedes und öffnete das Tor mit der Hand. Auf dem
Weg zum Bungalow bemerkte er sofort, dass die Hecke nicht so geschnitten war, wie
er es angeordnet hatte. Er wollte die Kanten gerade haben und nicht schief. Der
Swimmingpool sah zwar gereinigt aus, aber das Wasser war nicht eingelassen. Herrgott,
wozu bezahlte er dem Türken einen Haufen Geld, wenn er dann doch die Hälfte der
Arbeit wieder selber machen musste! Wenigstens das Gestänge an der Hollywoodschaukel
auf der Terrasse war zurechtgebogen. Er probierte aus, ob die Schaukel funktionierte,
und war halbwegs zufrieden. Er konstatierte zufrieden, dass der türkische Gärtner
Schmieröl auf die Gelenke gegeben hatte. Immerhin etwas. Er fühlte sich müde. Tonnenschwer
lastete der gestrige Abend auf seinem Körper. Er hatte während der Nacht keine Auge
zugetan, war erst am Morgen in einen unruhigen Schlaf gesunken. Auch aus dem hatten
ihn die grässlichen Bilder immer wieder hochschrecken lassen. Ständig sah er den
toten Körper von Anabella Todorova vor sich. Wie sie verkrümmt auf dem Bühnenboden
lag. Ein schmaler roter Streifen verband ihren geschminkten Mund mit dem Dunkelgrau
der Bretter. Blut. Ihre glasigen Augen hatten ihn angestarrt. Ihn und alle anderen,
ehe der Arzt ihr die Lider schloss und die Sanitäterin eine Decke über den leblosen
Körper zog. Er zwängte sich von der Terrassenschaukel hoch und schlurfte ins Innere
des Hauses. Vielleicht sollte er Loretto lieber absagen. Er verspürte wenig Lust,
sich heute mit ›Geschenken‹ zu vergnügen. Auch wenn sie so süß waren wie die kleine
Koreanerin vor zwei Monaten in Wien. Er ließ die Tasche auf den Wohnzimmerteppich
fallen. Ihr Gewicht erinnerte ihn daran, dass er sein Präsent aus dem Café Bazar
mitgebracht hatte. Er zog den Reißverschluss auf und holte die Steinsäule heraus.
Dann blickte er sich kurz um, fand einen passenden Platz auf der Kommode neben der
Tür und stellte die Säule dort ab. Hier kam sie gut zur Geltung, und jeder Besucher
würde sie gleich sehen. Er schlurfte weiter ins Badezimmer. Das Wasser der Dusche
war eiskalt, aber das war ihm recht so. Er ließ die eisigen Strahlen auf seine Haut
prasseln wie stählerne Nadeln. Dann trocknete er sich ab und legte sich nackt im
Schlafzimmer aufs Bett. Wieder starrten ihn die weit aufgerissenen Augen der toten
Anabella an. Er wälzte sich vom Bett, holte sich aus dem Wohnzimmer eine Flasche
Enzianschnaps und nahm einen kräftigen Schluck. Gleich darauf noch einen. Dann legte
er sich wieder hin. Der Alkohol und die Duschmassage der Wasserstrahlen, die seine
Haut gerötet hatte, taten ihre Wirkung. Nach ein paar Minuten war er eingeschlafen.
Er verfiel sofort in einen wirren Traum. Nackte Mädchen liefen einen Strand entlang
und kickten sich mit den Füßen eine Kugel zu, als spielten sie Fußball. Jetzt rollte
die große Kugel direkt auf ihn zu. Es war ein Totenschädel. Er sank in die Knie.
Der
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