Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Zauberflötenhandlung
eine Schnittstelle vom Matriarchat zum Patriarchat festmachen. Spuren dieser gewaltsamen
Umkehrung finden wir heute noch in vielen Märchen und Legenden.«
»Könnte
man die Auseinandersetzung Männlich-Weiblich in der Zauberflöte nicht auch genderpsychologisch
betrachten, wie es manche Regisseure immer wieder andeuten?« Die Frage kam von einem
Mann mit randloser Brille, der sich unentwegt Notizen machte.
»Auch diese
Sichtweise ist angebracht. Ich lege Ihnen allen den außergewöhnlich stimmigen Zauberflöten-Film
von Ingmar Bergmann ans Herz. Bergmann sieht darin die tödliche Feindschaft zwischen
Sarastro und der nächtlichen Königin als Folge einer gescheiterten Ehe.«
»Dann sollte
man sie allesamt zu einer Familienaufstellung schicken!« rief ein bulliger Mann
aus der letzten Reihe laut nach vor. Heiterkeit machte sich im Saal breit. Auch
der Professor zeigte sich amüsiert.
»Damit haben
Sie gar nicht so unrecht. Die Konstellation zwischen Sarastro, Pamina, Tamino und
der Königin wäre garantiert auch ein interessantes Betätigungsfeld für einen Therapeuten.
Aber lassen Sie mich fortfahren, Ihnen zumindest in Ansätzen näher zu bringen, welche
Aspekte noch in der Zauberflöte zu finden sind. Emanuel Schikaneder, der Textautor,
war wie Mozart Mitglied der Freimaurer. Die Prüfungen, die Tamino in der Oper bestehen
muss, erinnern an Aufnahmerituale, die in den Logen der Freimaurer üblich sind.
Manche Regisseure bauen diese Verbindung auch in ihre Bühneninterpretationen ein
durch das Verwenden von Freimaurersymbolen: Dreiecke, Pyramiden, Winkel, Zirkel.«
Er beschäftigte sich kurz mit seinem Laptop, suchte die passende Datei. Gleich darauf
zeigte die Leinwand Beispiele der angesprochenen Freimaurersymbole. Am Schluss der
Serie erschien wieder eine Sonnenscheibe. Vor diese Scheibe schob sich jetzt ein
Bild, das vielen Leuten im Saal vertraut war. Eine junge Frau mit entblößten Brüsten
schwenkte eine Standarte auf einem Schlachtfeld. Der Vortragende lieferte die Erklärung
zur Darstellung.
»Die Zauberflöte
entstand 1791, während der Zeit der französischen Revolution, zwei Jahre nach dem
Sturm auf die Bastille. Spuren des radikalen Denkens über eine neue politische Weltordnung,
basierend auf den Ideen der Aufklärung, stecken auch in der Oper.«
»Also mir
kommen diese Eingeweihten mit ihrem selbstgefälligen Getue wie ein großer Haufen
Sprüche klopfender Machos vor.«
Schallendes
Gelächter brach aus, in das sich bald Pfiffe aus dem hinteren Teil des Saales mischten.
Eine Frau mit auffallendem grünem Halstuch drehte sich um. Von ihr war die Bemerkung
gekommen. Sie zeigte den pfeifenden Männern in den letzten Reihen den Stinkefinger.
»Es steht
mir nicht zu, Ihnen in diesem Punkt beizupflichten, Gnädigste.« Der Universitätsgelehrte
versuchte die Aufmerksamkeit wieder auf seinen Vortrag zu lenken. »Selbst der Naturbursche
Papageno ist nicht ganz frei von machoiden Zügen. Wobei wir schon beim nächsten
Mosaikstein der Zauberflöte sind, dem Wiener Vorstadttheater. Der Vogelfänger ist
die lustige Figur im Geschehen, ein Federn tragender Verwandter des Hanswurst aus
der Tradition des Volksschauspieles.«
Ein überdimensionaler
Papageno erschien auf der Leinwand, der mit offenem Mund und leicht heraushängender
Zunge auf eine kokette Papagena blickte, die ihm neckisch das gefiederte Hinterteil
entgegenstreckte. Wieder zog leises Lachen durch den Raum.
»Und was
ist jetzt mit dem Krimi?« rief ein dunkelhaariges Mädchen aus der Mitte des Saales.
Erneut drehten viele ihre Köpfe in Richtung Merana. Der bereute allmählich, hergekommen
zu sein. Ihm war das Ganze peinlich.
»Ja, darob
wollen wir natürlich nicht vergessen.« Professor Peterfels trat an den vorderen
Rand des Podiums. »Beginnen wir mit Straftat Nummer Eins: Entführung. Sarastro lässt
Pamina in seinen Palast bringen. Auch wenn diese Verschleppung im Nachhinein als
gute Tat umgedeutet wird, so geschah es doch gegen ihren Willen. Zweitens: Nötigung
und versuchte Vergewaltigung. Monostatos, der Anführer der Mohrensklaven in Sarastros
Diensten, will Pamina zur Liebe zwingen. Die Szene, in der er sich über die schlafende
Prinzessin beugt, um ihr einen Kuss zu rauben, dürfen Sie ruhig etwas drastischer
sehen. Damals konnte man das nicht realitätsnahe auf die Bühne bringen. Und schließlich
haben wir noch einen klaren Auftrag zum Mord. Die Königin der Nacht versorgt ihre
Tochter Pamina mit einem
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