Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
engelbelagerten
Wolkenbank schwebend, unter ihr die aufgeregte Schar der Apostel. Das Kunstwerk
war eine täuschend echte Reproduktion von Tizians berühmter ›Assunta‹, der Himmelfahrt
Mariens. »Ist es Ihnen inzwischen gelungen, das Original in der Frari Kirche von
Venedig zu sehen, Herr Kommissar?« Merana schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider
nein.« Er ließ seinen Blick noch ein wenig auf dem Gemälde verweilen und wandte
sich dann dem Intendanten zu. Der blickte ihn mit freundlichem Gesicht an. »Ich
hoffe für uns alle, Sie sind mit Ihrem hervorragenden Team in der Aufklärung des
bedauerlichen Falles ähnlich schnell und erfolgreich wie beim letzten Mal.« Diese
Hoffnung teilte Merana. Er begann damit, dem Intendanten einige Fragen zum Festspielengagement
von Anabella Todorova zu stellen, zur Probenarbeit, zu ihrem Umgang mit Kollegen
und Mitarbeitern. Aber es kam dabei nicht viel heraus, wo er einhaken konnte. »Gibt
es jemanden unter den Kollegen, der ihr besonders nahe stand?«
»Eventuell
Ferdinand Hebenbronn, den kannte sie, so viel ich weiß, seit ihrem Studium in Wien.
Wir hatten sogar für die Premierenfeier der Zauberflöte eine kleine Überraschung
geplant. Es wäre gestern immerhin der 50. gemeinsame Auftritt der beiden gewesen.
Und nach dieser Zauberflötenproduktion hätten sich wohl nur mehr wenige Gelegenheiten
für gemeinsame Bühnenprojekte geboten.«
»Warum?«
»Es ist
ein offenes Geheimnis, dass die eindrucksvolle Sängerkarriere von Ferdinand Hebenbronn
sich dem Ende zuneigt. Die Stimme verlangt es.«
»Was wird
er künftig machen?«
»Wenn man
den Gerüchten glauben darf, die so herumschwirren, bewirbt er sich um eine künstlerische
Leitung.«
»Macht er
Ihnen bald Konkurrenz?«
Dem Mund
des Intendanten entwich ein kurzes, helles Lachen. »Nein, ich hoffe nicht. Er soll
sich eher für die amerikanische Szene interessieren. Er hat gute Kontakte zu Stuart
Loretto, der für einige Opernhäuser und Orchester in den USA als Berater tätigt
ist.«
Merana lenkte
seine Fragen nun direkt auf die Vorfälle des gestrigen Abends. Doch dazu wusste
der Intendant zu seinem Bedauern nichts Zielführendes beizutragen.
»Werden
die Festspiele die Tierschützer anklagen, Herr Doktor Vital? Hausfriedensbruch?
Geschäftsstörung?« Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Kommissar. Der
Zwischenfall war zwar äußerst unangenehm, aber wir wollen die Angelegenheit nicht
noch weiter aufbauschen. Wir haben genug mit dem Medienrummel wegen des schrecklichen
Todesfalles zu tun.«
»Wie geht
es weiter? Wann ist die nächste Zauberflötenvorstellung?«
»Zum Glück
erst am Donnerstag. Wir haben auch schon einen künstlerisch hochwertigen Ersatz
für Anabella Todorova gefunden, Milena Kurzmann. Sie kann zumindest die nächsten
drei Vorstellungen singen, dann sehen wir weiter. Sie kommt noch heute Abend aus
London. Wir haben morgen Vormittag eine Probe angesetzt. Am Nachmittag muss sie
weiter nach Berlin, wo sie am Abend ein Konzert gibt. Sie kommt auch am Donnerstag
erst kurz vor dem Auftritt nach Salzburg. Das ist stressig, aber Frau Kurzmann ist
ein echter Profi. Es kommt uns entgegen, dass der Part der Königin der Nacht ja
nicht allzu groß ist, da kann man sich schnell in jedes Regiekonzept einfinden.«
Merana musste
dem Intendanten recht geben. So hatte er das noch nie betrachtet. Im Vergleich zu
den anderen Protagonisten der Zauberflöte, zu Tamino, Papageno, Sarastro oder Pamina,
hatte die Königin der Nacht eher wenig Auftritte.
»Natürlich
ist diese Rolle dennoch eine der berühmtesten der gesamten Opernliteratur. Das liegt
an den beiden Arien, besonders an der zweiten, der Rache-Arie. Die verlangt einer
Künstlerin wirklich alles ab. Mozart hat uns Menschen großartige Musik hinterlassen,
würdig, um bis ans Ende des Kosmos zu reichen!«
Spielte
der Intendant auf die Goldene Schallplatte in der Raumsonde an? Merana dachte an
die Bilder aus dem Vortrag.
»Wohin gehen
Ihre Gedanken, Herr Kommissar?«
»Ich frage
mich gerade, ob mir eine kleine Raumsonde mit der Musik der sternflammenden Königin
auf dem Weg zur Sonne bei der Lösung unseres Falles helfen kann.«
Der Intendant
lächelte. »Wer weiß. Oft sind es die Dinge, von denen wir es am wenigsten erwarten,
die uns weiter helfen.« Um ein Haar hätte Merana aufgelacht. Das klang nach der
Zitatensammlung seines Chefs. Stammte dieser Spruch vielleicht auch von Franz Beckenbauer?
Eher nicht. Der Satz erinnerte zwar auf
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