Zauberflötenrache: Meranas dritter Fall (German Edition)
Kollegen eingeprägt. Dessen Hartnäckigkeit
war es zu verdanken, dass sie schließlich doch noch auf eine Zeugin gestoßen waren,
die bestätigte, Fabienne Navarra während der Pause im Garderobenbereich hinter der
Bühne erkannt zu haben. Sie hatte gar nicht versucht zu leugnen, als Merana in das
Zimmer der kleinen Wohnung im vierten Stock des Hauses trat. Ein blondes Mädchen
hatte ihm geöffnet, Laura Sigurdson, die Schwester des schwedischen Tenors. Fabienne
war zusammengekauert auf einem kleinen roten Sofa gesessen. Die langen braunen Haare
hingen wie ein dichter Vorhang vor ihrem Gesicht, der sie vor der Wirklichkeit schützen
sollte. Merana ließ die Begegnung noch einmal vor seinem Inneren Revue passieren,
während er durch die Nacht fuhr.
»Ich habe
gewusst, dass Sie mich schließlich aufsuchen werden, Herr Kommissar.« Ihre Stimme
war leise. Sie teilte mit zitternden Händen den Vorhang vor ihrem Gesicht. Er bemerkte
ihre ausgeweinten, geröteten Augen, in denen keine Tränen mehr waren.
»Ich habe
es schon gewusst, als Sie mich nach dem Konzert aufsuchten.« Er ließ ihr Zeit. Die
Augen der schwedischen Sängerin wanderten unruhig zwischen dem Polizisten und ihrer
Freundin hin und her.
»Du hättest
mich springen lassen sollen, Laura.« Die Angesprochene atmete heftig ein, ein Laut
des Schreckens entfuhr ihr. »Aber nein, Fabienne!« Sie richtete den Blick ängstlich
nach oben zur Zimmerdecke. Der Kommissar verstand, was dieses Hinaufschauen zu bedeuten
hatte.
»Warum wollten
Sie von der Dachterrasse springen, Fabienne?«
Die Lippen
zuckten. Das Mädchen auf dem Sofa hatte Mühe zu sprechen.
»Mir war
klar, dass Sie bald dahinter kommen würden. Er hat mich ja gesehen.«
»Wer?«
»Dieser
schreckliche Geigenhändler.«
»Bernhold?«
Sie schloss
die Augen. Das Nicken ihres Kopfes war kaum wahrnehmbar. Merana stellte sich die
Szene vor. Damit passte erneut ein loser Stein ins Gesamtgefüge. »Herr Bernhold
war also Zeuge, dass Sie sich während der Pause im Bereich der Garderoben aufgehalten
haben. Hat er auch Ihren Streit mit Frau Todorova mitbekommen?«
Sie versuchte
zu antworten. Ihre Stimme gehorchte ihr nicht. Nur ein leises Krächzen kam aus ihrem
Hals.
»Laura,
würden Sie bitte für Ihre Freundin ein Glas Wasser holen?« Er wartete, bis das blonde
Mädchen zurück war. Die Geigerin trank in ruhigen Zügen. Dann richtete sie ihren
Oberkörper auf.
»Ich glaube
nicht, dass er es mitkriegte. Aber er hat mich gesehen, wie ich aus der Garderobe
kam.«
»Aus der
von Frau Todorova?«
»Nein, aus
der Garderobe von Ferdinand Hebenbronn.«
Auch jetzt
versuchte der Kommissar, sich die Situation vorzustellen. Dann beugte er sich vor
und blickte der jungen Frau direkt in die Augen.
»Fabienne,
wollen Sie mir nicht erzählen, was genau vorgefallen ist.«
Die Geigerin
drehte den Kopf zur Seite, schaut auf ihre Freundin, dann wieder auf Merana. Schließlich
nickte sie.
»Als ich
Frau Todorova am späten Nachmittag beim Einsingen aufsuchte, sagte sie mir, sie
wolle mich gleich nach der Vorstellung sehen. Sie müsse mit mir über München reden.
Ich weiß nicht, wie sie davon Wind bekommen hatte. Ich war den ganzen ersten Akt
über furchtbar nervös, weil ich Angst hatte vor der wütenden Szene, die sie mir
machen würde. Vielleicht warf sie mich auch aus dem Förderungsprogramm der Stiftung.
Gegen Ende der Pause hielt ich es nicht mehr aus und eilte hinter die Bühne. Es
waren nur wenige Leute auf den Korridoren unterwegs, die meisten hasteten vorbei.
Frau Todorova war tatsächlich furchtbar zornig auf mich. Sie hielt mir vor, ich
würde wegen ein paar Flausen meine Karriere ruinieren. Dann klagte sie über plötzliche
Migräne. ›So kriege ich meine Arie nie hin. Wo bleibt denn diese Garderobiere mit
den Tabletten? Warum musste ich dumme Kuh heute auch die falsche Handtasche mitnehmen!‹
Dabei griff sie sich immer wieder an den Kopf. ›Dann holen Sie doch eine Tablette
von Herrn Hebenbronn‹, schlug ich vor. ›Der hat sicher welche in seiner Garderobe.‹
Ich wusste das von den Proben, bei denen ich dabei war. Sie gab mir einen Klaps
auf die Schulter und klang schon wieder versöhnlicher. ›Kluges Mädchen, komm mit.
Du kannst mir suchen helfen.‹ Der zweite Akt hatte schon angefangen. Wir gingen
dann in Hebenbronns Garderobe und hielten nach den Medikamenten Ausschau. Ich fand
die Schachtel schließlich in der Tasche einer Jacke, die über einem Stuhl hing.
Ich gab ihr eine der Tabletten.
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