Zauberkusse
… ich …«, stammele ich, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen will.
»Gut, damit ist die Sache dann ja wohl erledigt. Alles bestens«, unterbricht mich Herr Lange in ekelhaft frischem Ton. »Sie sind sich einig, und die Rechnung schicken Sie dann einfach an Frau Kramer.« Er schreibt meine Adresse, die er vor wenigen Minuten aufgenommen hat, auf einen Zettel und schiebt ihn Anna über den Tisch zu. »Und Sie werden zahlen?«
»Ja«, bringe ich mühsam über die Lippen und dann befreit er mich endlich von meinen Handschellen.
Nach einer frostigen Verabschiedung schließt sich die Tür des Landahlschen Anwesens hinter mir und ich stehe allein mit Herrn Lange vor seinem silber-blauen Polizeiwagen.
»Soll ich Sie …«, setzt er an, doch ich schneide ihm das Wort ab.
»Danke, mein Fahrrad steht um die Ecke.«
»Tja dann: Auf Wiedersehen.« Ich übersehe die mir dargebotene Hand und wende mich zum Gehen.
»Lieber nicht«, rufe ich ihm über die Schulter hinweg zu.
Der Mond schaut auf mich herab, während ich mit meinem Fahrrad die menschenleeren Straßen hinunterfahre. Die kühle Nachtluft weht mir um die Nase und die Ereignisse des Abends brechen plötzlich mit aller Wucht über mich herein. Das war sie also, seine Frau. Und obwohl er behauptet hat, mich zu lieben und sie nicht, hat er sich auf ihre Seite geschlagen. War besorgt um ihre nackten Füßchen, auf dass sie sich ja nicht an dem bösen, bösen Porzellan die Sohlen zerschneiden. Ich lag mitten drin in dem verdammten Scherbenhaufen. Keine Rede davon. Erstaunt registriere ich, dass mir unaufhörlich Tränen das Gesicht herunterlaufen und mein Körper von Weinkrämpfen geschüttelt wird. In diesem Moment wird die Straße um mich herum plötzlich in blaues, flackerndes Licht getaucht. Sekunden später überholt mich ein Polizeiwagen, aus dessen Fenster mir ein wohlvertrautes Gesicht entgegensieht.
»Sagen Sie mal, sind Sie betrunken?«, schnauzt er mich an, sobald er die Scheibe heruntergelassen hat.
»Nein«, schluchze ich und wende ihm mein Gesicht zu.
»Halten Sie an«, sagt er in sanfterem Tonfall, doch ich trete weiter in die Pedale.
»Es geht schon«, heule ich. Kann der mich nicht einfach in Ruhe lassen?
»Sie fahren seit geraumer Zeit Schlangenlinien und haben nicht einmal bemerkt, dass ich die ganze Strecke über hinter Ihnen hergeschlichen bin. In diesem Zustand kann man Sie kaum als verkehrstüchtig bezeichnen.«
»Wollen Sie mich vielleicht wieder verhaften?«, frage ich aggressiv.
»Nun kommen Sie schon. Ich möchte doch nur, dass Sie sicher nach Hause kommen. Bitte.« Ich gebe meinen Widerstand auf, bremse und stehe heulend mitten auf der Straße. Herr Lange hält ebenfalls an, steigt aus und verfrachtet erst mein Rad in den Kofferraum und dann mich auf den Beifahrersitz. Ich lasse es geschehen, heule nur still vor mich hin. Ist mir jetzt auch schon egal.
»Cola?« fragt er, als ich mich etwas beruhigt habe und angelt aus der grünen Kühlbox in meinem Fußbereich eine Dose hervor.
»Danke.« Zusammengesunken hocke ich da, nuckele an meinem Getränk herum und beobachte verstohlen den Mann an meiner Seite. Plötzlich fällt mir auf, dass er unverschämt gut aussieht. Mehr Windsurfer als Polizist, mit dunkelbraunen Haaren, strahlendblauen Augen und gebräunter Haut. Er kann nicht viel älter als Anfang, Mitte Dreißig sein. Mist! Jetzt hat er bemerkt, dass ich ihn angeschaut habe. Schnell richte ich meinen Blick wieder durch die Windschutzscheibe und zähle die Laternen am Straßenrand.
»Macht es Sinn, Ihnen einen gut gemeinten Rat zu dem Thema zu geben?«, erkundigt sich Herr Lange und ich verziehe das Gesicht.
»Das kommt ganz auf den Rat an.«
»Vergessen Sie den Typen.« Das war eindeutig der falsche.
»Ich bin mit Gregor zusammen. Was seine Frau da gefaselt hat, war ausgemachte Scheiße«, sage ich heftig. »Er hat mir versprochen, sich von ihr zu trennen …«
»Nun beruhigen Sie sich mal, das glaube ich Ihnen doch alles«, versucht er mich zu beschwichtigen.
»Tatsächlich?«
»Ja.«
»Und warum?«
»Man sieht es zwei Menschen an, wenn sie intime Beziehungen zueinander führen. Zumindest, wenn man einen gewissen Grad an Menschenkenntnis besitzt«, wirft er sich in die Brust. Was für ein schrecklicher Angeber!
»Na, dann ist es ja gut«, versuche ich, das Gespräch an dieser Stelle abzuschließen. Jedenfalls hält er mich nicht für eine Frau im Liebeswahn. Aber was für ein toller Kerl und
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