Zauberkusse
gerne glauben...« Während er mich mit einem Arm auf dem Boden festnagelt, greift er mit der anderen Hand hinter sich. »... aber Vorsicht ist besser als Nachsicht. Vor allem in meinem Beruf. Sie verstehen.« Ein metallisches Klicken ertönt, das ich bisher immer nur im Fernsehen gehört habe. Ich schnappe nach Luft, als ich erkennen muss, dass der freche Kerl mir allen Ernstes Handschellen angelegt hat. Er steht auf, greift mit beiden Händen unter meine Arme und stellt mich zurück auf die Füße. Wütend funkele ich ihn an.
»Sie verdammter …!«
»Halt«, mit einer Handbewegung bringt er mich zum Schweigen, »bevor Sie jetzt Ihrer Wut freien Lauf lassen, sollte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Beamtenbeleidigung teuer ist und nichts bringt. Ich habe schon alles gehört, mich kann nichts mehr schocken.« Das wollen wir doch erstmal sehen! »Lassen Sie es«, sagt er streng, »wie ich die Situation einschätze, haben Sie auch so schon genug Schwierigkeiten.« Da könnte er recht haben.
Wenige Minuten später sitze ich, noch immer mit Handschellen fixiert, auf einem der mit heller Seide bezogenen Esszimmerstühle. Michael Lange, so heißt unser Freund und Helfer, an meiner Seite und das Ehepaar Landahl mir gegenüber. Anna bot Herrn Lange sogar ein Glas Apfelsaftschorle an, von mir, der Delinquentin, hält sie sich fern.
»Ich beiße nicht«, erkläre ich ironisch, als sie das Getränk auf der Tischplatte abstellt und dann schnell die Hand zurückzieht.
»Du solltest dir vielleicht etwas anziehen«, sagt Gregor und legt seiner Frau die Hand auf den Arm, »du bist ja schon ganz durchgefroren.« Während Frau Landahl ins obere Stockwerk marschiert, um sich umzuziehen, nimmt Michael Lange meine Personalien auf. Trotzig beantworte ich seine Fragen.
»Also, Frau Kramer, gehe ich recht in der Annahme, dass das hier«, er macht eine weit ausholende Handbewegung durch das Wohnzimmer, »Ihr Werk ist?«
»Wenn Sie die Farbe auf dem Bild und die kaputte Vase meinen, haben Sie recht. Mit der Yuppie-Einrichtung habe ich nichts zu tun.« Seine Mundwinkel zucken kurz, als müsste er sich das Grinsen verkneifen, dann hat er sich wieder unter Kontrolle.
»Und dürfte ich erfahren, ob es einen bestimmten Grund für diesen Vandalismus gegeben hat?« Trotzig presse ich die Lippen aufeinander und werfe Gregor einen wütenden Blick zu, den dieser mit einem hilflosen Schulterzucken und bedauerndem Augenrollen beantwortet.
»Kennen Sie einander?«, folgert Herr Lange sofort messerscharf, was Gregor erschreckt zusammenzucken lässt. Noch ehe er antworten kann, ertönt Annas Stimme aus Richtung Treppe:
»Du kennst diese Frau?«
»Ähm, nun, ja«, gibt Gregor schließlich zu und windet sich unter dem forschenden Blick seiner Frau, die sich mittlerweile eine kuschelige, braune Strickjacke übergeworfen hat.
»Woher?«, ertönt es zeitgleich aus Annas und Herrn Langes Mund. Ja, woher? Da bin ich ja nun auch sehr gespannt. Ich schaue ebenso neugierig wie die beiden anderen auf Gregor, dem nun so langsam aber sicher der Schweiß ausbricht.
»Nun, also …«
»Ja?«
»Na schön, also, ich habe Luzie in den letzten Wochen als Putzhilfe beschäftigt.«
»Was?«, fragt Anna erstaunt.
»Was?«, echoe ich empört, woraufhin Gregor mir einen beschwörenden Blick zuwirft. Na schön. Ich fühle mich zwar nicht wirklich an mein Versprechen gebunden, ihn reden zu lassen, aber dennoch bin ich gespannt, was er sich für eine Geschichte zusammenspinnt. Deshalb halte ich den Mund und lausche fürs Erste seinen Erklärungen:
»Ja, es tut mir leid«, wendet er sich an Anna, »du siehst, ich habe mich kein bisschen geändert. Ich bin noch derselbe Chaot wie immer. Ich bin einfach viel zu unorganisiert, um einen Haushalt in Schuss zu halten.« Hilfesuchend schaut er zu Herrn Lange hinüber, wahrscheinlich, um von ihm ein verständnisvolles Nicken zu erheischen. Aber dieser sitzt nur mit regungslosem Gesicht da und hört zu. »Na ja, ich wollte trotzdem, dass das Haus in Ordnung ist, wenn du wiederkommst, also habe ich Luzie eingestellt.«
»Luzie?«, hakt Anna nach, einen misstrauischen Unterton in der Stimme.
»Frau Kramer«, verbessert er sich schnell.
»Und wo hast du sie her?« Ich ziehe hörbar die Luft ein. Bin ich ein Hund, oder was?
»Vom … Arbeitsamt.«
»Du lässt einfach irgendeine wildfremde Frau hier rein, um unser Haus zu putzen?«
»Sie hat immer sehr gut gearbeitet«, verteidigt sich Gregor.
»Danke«, werfe ich
Weitere Kostenlose Bücher