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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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einen Gefallen und versuch in den nächsten Stunden mal nicht mehr an den Blödmann zu denken. Wirklich, das Leben ist zu kurz für so einen Scheiß«, meint sie inbrünstig. Damit hat sie natürlich recht, rein theoretisch gesehen. Nur mit der praktischen Umsetzung hapert es.
    »Und wohin geht’s nun?«, frage ich.
    »Das wirst du schon sehen.« Sie hat jetzt wohl beschlossen, meine liebeskummerige Laune einfach zu ignorieren und redet ohne Punkt und Komma auf mich ein. »Yasim fragt auch schon die ganze Zeit nach dir. Du hast doch nichts dagegen, dass ich ihm erzählt habe, was mit dir los ist, oder? Er sagt, du sollst unbedingt wieder zum Yoga kommen, das ist nicht nur gut für die Figur, sondern vor allem fürs seelische Gleichgewicht. Und bei Beziehungsproblemen hilft die Kamelhaltung besonders …« Ich unterbreche ihren Redefluss, indem ich das Radio auf maximale Lautstärke drehe. Die ersten Klänge von »I’m feeling good« schallen aus den Boxen.
    »Genau, gute Wahl«, grölt Loretta gegen Nina Simone an und singt beherzt mit. Ich schließe entnervt die Augen und öffne sie erst wieder, als Lorettas Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt. »Aufwachen«, ruft sie fröhlich und boxt mir spielerisch in die Seite.
    »Och nö«, sage ich gedehnt und gebe mir gar nicht erst Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen, als mein Blick auf das bunte Treiben fällt. Der Hamburger Dom, der dreimal im Jahr auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli seine Pforten öffnet, konnte mich noch nie besonders reizen. Ich habe nie verstanden, warum die Menschen in Scharen hierher strömen, um sich ungesundes Zeug reinzuschaufeln, das man mit etwas Pech nach der Achterbahnfahrt dann wieder von sich gibt. So ging es mir nämlich bei meinem letzten Besuch hier.
    »Jetzt vergiss mal dein Dom-Trauma und lass uns ein bisschen Spaß haben«, fordert Loretta gutgelaunt, hakt mich unter und zerrt mich mitten rein ins Getümmel.
    Auch nachdem ich dreihundert Gramm Schmalzkuchen, eine riesige Portion rosa Zuckerwatte und in Knoblauch geschwenkte Champignons gegessen habe, ist meine Laune nach wie vor auf dem Tiefpunkt.
    »Das bringt gar nichts. Was soll ich hier?«, maule ich Loretta ins Ohr.
    »Du sollst Spaß haben. Guck mal, da oben. Das müssen wir auch machen.« Begeistert zeigt sie mit dem ausgestreckten Arm zu einem hohen Turm hinauf, an dessen oberem Ende sich winzigkleine Menschlein mit baumelnden Beinen auf winzigen Sitzen befinden.
    »Was ist das?«, frage ich, während meine Frage noch im selben Moment beantwortet wird. Der um den Turm gelegte Ring mit besagten Sitzen wird nämlich in diesem Moment losgekoppelt und saust in atemberaubender Geschwindigkeit Richtung Boden. Der Wind trägt die Schreie aus Dutzenden von Kehlen zu mir herüber, die sich in befreites Lachen auflösen, als der Fall kurz vor dem Aufschlag abgefangen wird.
    »Los komm«, fordert Loretta mich auf und zupft an meinem Ärmel herum, doch ich rühre mich keinen Millimeter vom Fleck.
    »Willst du mich umbringen?«, jammere ich.
    »Sei doch nicht so feige.«
    »Ich hab Bauchweh«, fällt mir gerade noch rechtzeitig ein und zur Bestätigung beginne ich, mir mit der Hand über das Bäuchlein zu reiben. »Ich hab’s dir gleich gesagt, das Fett, in dem die die Schmalzkuchen backen, haben die bestimmt seit Tagen nicht mehr ausgetauscht«, steigere ich mich in die Sache rein und spüre jetzt tatsächlich ein böses Kneifen in der Magengegend.
    »Dann halt nicht«, grummelt Loretta vor sich hin, »das macht aber keinen Spaß mit dir.«
    »Ich wollte doch gar nicht hierher«, verteidige ich mich, »ich hätte dir gleich sagen können, dass du mich auf keins dieser Monsterdinger draufkriegst.«
    »Ist ja gut. Und was ist das hier?« Sie bleibt interessiert stehen. Die Menschenmasse hat uns bis zum nördlichen Ausgang des Doms geschoben, wo ein wenig abseits und verlassen ein kleines, schrammeliges Wohnmobil steht.
    »Madame Theklas Za …«, versuche ich die teilweise schon arg abgeplatzten, silberfarbigen Lettern auf lila Grund zu entziffern.
    »Za … Zau … ist das ein b oder ein h?«, rätselt nun auch Loretta. Das spröde Klingen hunderter Glöckchen reißt uns aus unseren Betrachtungen, als sich der Vorhang vom Eingang des Wagens schiebt und ein faltiges Frauengesicht zum Vorschein kommt.
    »Madame Theklas Zauberstube«, erklärt sie feierlich.

4.
    Madame Theklas Zauberstube
    Neugierig komme ich heran und nehme Madame Thekla etwas näher in Augenschein.

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