Zauberkusse
macht sich dann daran, allerhand Zeugs vom Altar heranzuschleppen. Kleine, tönerne Schälchen mit bunten Pulvern und Kräutern, verschiedenfarbige Kerzen und bunte Fläschchen. Währenddessen versuche ich, die verblassten, altdeutschen Buchstaben im Hexenbuch zu entziffern. Dass sie zudem auf dem Kopf stehen, erschwert die Sache noch und ich schaffe es gerade erst, die Überschrift zu lesen, als Thekla sich ächzend uns gegenüber niederlässt. Mit einem schrumpeligen Zeigefinger fährt sie die Zeilen entlang und murmelt vor sich hin. Gespannt verfolge ich jede ihrer Bewegungen.
»Wir werden Ihre Rivalin verschwinden lassen, damit der Weg Ihres Liebsten zu Ihnen frei wird«, verspricht sie mir, »doch eins ist wichtig«, sie hebt den Blick und fixiert mich, »Sie müssen alle bösen Gedanken, die Sie gegen diese Frau hegen, eliminieren. Der Wunsch, sie von ihrem Mann zu entfernen, ist an sich neutral. Denn Sie sind ja überzeugt, dass nur Sie ihn wirklich glücklich machen können. Nicht wahr?« Sie macht eine Pause und ich nicke heftig. Natürlich. Nur ich kann ihn glücklich machen. »Verbannen Sie den Hass aus Ihrem Herzen«, fordert Thekla feierlich, »wünschen Sie ihr nur das Beste für die Zukunft. Auch wenn Sie beide den gleichen Mann lieben und Sie das zu Rivalinnen macht, so sind Sie doch Schwestern, Töchter der großen Muttergöttin.« Ohne hinzusehen kann ich spüren, dass Loretta neben mir mittlerweile schon gegen einen Brechreiz ankämpft, und mir wird das alles langsam jetzt auch ein bisschen zu abgehoben. Scheinbar bleibt mein Sinneswandel Madame Thekla nicht verborgen, denn von einer Sekunde auf die andere wandelt sich ihr Tonfall, der feierliche Singsang bricht abrupt ab. »Ich sehe schon, Sie sind scheinbar beide keine Freundinnen der großen Worte, jedenfalls sollten Sie sich von bösen Gedanken freimachen, denn die kommen siebenfach zu Ihnen zurück. Alles klar so weit?« Ich nicke. »Gut, dann beginnen wir. Befreien Sie Ihren Geist von unnützen Gedanken, öffnen Sie sich der Welt des … schon gut. Am besten, ich lege einfach los.« Sie schiebt einen unregelmäßig gefertigten Messingteller in die Mitte des Tisches und lässt feinen, weißen Sand aus einem kleinen Säckchen daraufrieseln, bis sich ein Hügel gebildet hat, auf dessen Spitze sie ein rundes Stück Kohle platziert.
»Sie haben übrigens instinktiv den richtigen Zeitpunkt gewählt, um zu mir zu kommen. Wir befinden uns in der Phase des abnehmenden Mondes. Genau richtig für jede Art von Bannungszauber. Wie heißt die andere Frau?«, erkundigt sie sich, während sie ein langes Streichholz entzündet und an das Kohlenstückchen hält.
»Sie heißt Anna. Anna Landahl«, gebe ich Auskunft, während die Kohle knisternd Funken sprüht und leuchtendrot zu glühen beginnt.
»Anna Landahl«, wiederholt Madame Thekla und schiebt mir ein Schälchen mit etwas hin, das aussieht wie getrocknete Blüten und Gräser. »Sie können mit der Räucherung beginnen, während ich die magischen Kerzen mit Annas Initialen versehe und danach mit magischem Öl salbe. Einfach immer eine kleine Menge auf die Kohle legen und abbrennen lassen«, erklärt sie und ich folge ihren Anweisungen. Dichter, würzig duftender Qualm steigt auf, während Madame Thekla eine rosa Kerze zur Hand nimmt, sie mit langen Strichen gleichmäßig einölt und dann auf dem Tisch befestigt. Sie nimmt ein schlichtes, weißes Baumwollbeutelchen zur Hand, und füllt es mit allerlei Zeugs aus den bunten Schälchen. Ich beobachte, wie sie eine Zimtstange zwischen ihren Handflächen zerreibt, als sie mich strafend ansieht:
»Lassen Sie den Rauch nicht versiegen«, befielt sie mir und schuldbewusst wende ich mich wieder meiner Aufgabe zu. Die Magierin beginnt nun, Worte vor sich hin zu murmeln, doch so sehr ich auch die Ohren spitze, ich kann sie nicht verstehen. Hört sich irgendwie fremdländisch an. Vielleicht lateinisch? Madame Thekla unterbricht sich und schiebt mir ein winziges Stück Pergament, einen altmodischen Federhalter und Tinte hin.
»Schreiben Sie Ihren Wunsch auf das Papier und falten Sie es dann«, fordert sie mich auf. Loretta verrenkt sich den Hals, um erkennen zu können, was ich schreibe, aber ich halte meinen Arm schützend um meine Worte und falte dann das Pergament dreimal. Thekla nickt zufrieden und hält mir das schon recht prall gefüllte Beutelchen unter die Nase. »Hier hinein.« Gehorsam stopfe ich meinen Wunsch obenauf. »Jetzt kommt das Wichtigste:
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