Zauberkusse
Big bekommen. Ich hoffe nur, dass ich auf Gregor nicht ganz so lange warten muss. Während ich mir die Zähne putze, klingelt mein Handy. »Unbekannter Teilnehmer ruft an«, steht auf dem Display. Von denen kenne ich ja nicht so viele.
»Ja, hallo?«, nuschele ich undeutlich und beuge mich über den Waschbeckenrand.
»Hier ist Anna. Gregors Frau«, kommt es von der anderen Seite der Leitung und statt den Mundvoll Schaum auszuspucken, was ursprünglich meine Absicht war, rutscht er mir jetzt vor lauter Schreck in die falsche Kehle. Keuchend huste ich die ganze Angelegenheit wieder hoch, was sich mit Sicherheit nicht wirklich schön anhört.
»Moment«, pruste ich, um Atem ringend, »eine Sekunde mal.« Dann gebe ich mich einem erneuten Hustenanfall hin und wische mir schließlich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Äääähhh«, stammele ich ins Telefon. Was will die von mir? Das Geld müsste längst auf ihrem Konto gelandet sein.
»Hallo«, sagt Anna. Ja, die weiß, wie man ein zivilisiertes Gespräch führt. Allerdings war sie ja auch auf diese Konfrontation vorbereitet.
»Hallo«, krächze ich heiser. Mir kommt ein schrecklicher Gedanke und ich klammere mich am Waschbeckenrand fest. Sie hat es sich anders überlegt, sie will Anzeige erstatten, hämmert es in meinem Kopf. Was mache ich denn jetzt? Ich will nicht in den Knast!
»Wie geht’s?«, kommt es eiskalt vom anderen Ende der Leitung. Wie es mir geht? Stehe kurz vorm Exitus.
»Na ja«, mache ich unbestimmt, aber es scheint sie auch gar nicht zu interessieren, denn sie fährt ohne Pause fort:
»Ich wollte dir nur sagen, dass du uns in Ruhe lassen sollst.« Es folgt eine bedeutungsschwangere Pause. Wie meint sie das denn jetzt? Gegen die Überweisung von fast acht Mille kann sie ja wohl nichts haben.
»Aber ich«, fange ich an, da schneidet sie mir das Wort ab.
»Du brauchst es nicht zu leugnen, ich weiß, dass du eine Affäre mit meinem Mann hast.« Ich spüre, wie Adrenalin in Sekundenschnelle durch meinen ganzen Körper schießt.
»Tatsächlich?«, gebe ich schwach zurück und lasse mich mitten auf meinen Badezimmerboden sinken. Haltsuchend umfange ich meine Knie mit den Armen und warte gesenkten Kopfes auf den Todesstoß.
»Ich habe zufällig seine Telefonrechnung in die Hände bekommen«, klärt sie mich auf. Ja, sicher, rein zufällig. »Und dann habe ich deine SMS in seinem Handy entdeckt. Wie lange geht das schon so mit euch?« Da ich nicht glaube, dass mich eine Antwort auf diese Frage vor dem Gefängnis retten wird, schweige ich lieber und warte auf meinen Anwalt. »Ich will es gar nicht wissen«, fährt sie da auch schon fort, »ich will, dass du ihn in Ruhe lässt. Keine SMS mehr. Und auch keine Anrufe.« Ihre Stimme hat jetzt einen militärischen Tonfall angenommen.
»Glaubst du im Ernst, dass ich dir das verspreche«, frage ich aufsässig. Ist doch wahr! Jetzt, wo sie es herausgefunden hat, werde ich doch wohl erst recht nicht auf ihn verzichten. Allerdings fürchte ich, dass man mir in der Haftanstalt sowieso das Telefon abnehmen wird.
»Nein, das glaube ich nicht.« Kluges Kind. »Aber er gehört mir. Wir sind verheiratet. Ich will, dass du ihn in Ruhe lässt.«
»Es ist nicht so, dass er sich mit Händen und Füßen gegen mich wehrt«, sage ich in süffisantem Ton.
»Ist mir scheißegal«, antwortet sie brüsk und wiederholt noch mal: »Ich will, dass du ihn in Ruhe lässt.«
»Ich habe es zur Kenntnis genommen, muss dir aber leider sagen, dass ich das nicht tun werde. Ich liebe ihn und er liebt mich.« Mann, komme ich mir kitschig vor. Das würde ich vermutlich nicht mal meinen Eltern gegenüber so formulieren.
»Er liebt mich«, schrillt es in mein Ohr.
»Dann brauchst du ja keine Angst zu haben«, stelle ich mit bemüht ruhiger Stimme fest. So wie die möchte ich mich nämlich nicht anhören.
»Ich habe keine Angst.« Ach ja? Dein Anruf zeugt von etwas anderem, Süße, kann ich mir gerade noch verkneifen zu sagen. »Du bist nichts als ein schnelles Abenteuer für ihn. Er hat es mir sogar gesagt. Und er hat mir versprochen, dich nie wiederzusehen. Also, mach’s gut.«
»Halt, warte«, schreie ich in den Hörer, während ihre Worte in meinem Kopf widerhallen. Er will mich nie wiedersehen? Das hat er ihr versprochen? Ich kann es nicht glauben. Ich will es nicht glauben. Er hat sie angelogen. Ganz bestimmt.
»Was ist denn noch?«, fragt sie ungeduldig und ich räuspere mich ein wenig, bevor ich zu fragen wage:
»Was ist
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