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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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anstarren. Mit Feuereifer mache ich mich daran, meine Wohnung zu putzen. Drei Stunden später blitzt und blinkt sie, als kämen meine Eltern zu Besuch. Zufrieden betrachte ich den spiegelblanken Laminatfußboden, kein Stäubchen ist mehr darauf zu entdecken. Im Flur warten ein großer Stapel Zeitschriften und das Altglas auf Entsorgung. Kopfschüttelnd zähle ich die leeren Rotweinflaschen. Dreiundzwanzig. Entsetzt frage ich mich, ob ich zur Alkoholikerin geworden bin, beschließe dann aber, dass ich einfach nur sehr lange nicht mehr beim Altglascontainer gewesen bin. Sehr, sehr lange. Ich stopfe die Flaschen in Plastiktüten, die ich dann in drei Fuhren die Treppen hinunter zum Auto schleppe.
    »Tag, Frau Kramer«, ertönt eine krächzige Stimme hinter mir und ich fahre herum. Natürlich, Frau Saalberg! In einem knallroten Nicki-Jogginganzug steht sie in ihrer Wohnungstür und betrachtet neugierig die Plastiktüten in meiner Hand.
    »Hallo, Frau Saalberg«, grüße ich eilig zurück und bemühe mich, die Tüten in meiner Hand möglichst wenig klirren zu lassen.
    »Sie haben aber eine Menge Flaschen«, erklärt meine Nachbarin unverblümt und verschränkt die Arme vor der knochigen Brust.
    »Ja, na ja, ich bin lange nicht mehr dazu gekommen, mein Altglas zu entsorgen, wissen Sie?«, lache ich aufgesetzt, wozu sie langsam und bedeutungsschwanger mit dem Kopf nickt.
    »Verstehe«, antwortet sie gedehnt. »Und Sie sind sicher, dass Sie kein Alkoholproblem haben?« Forschend schaut sie mich an, die ich, verblüfft von ihrer Dreistigkeit, mitten auf der Treppe stehen bleibe.
    »Das geht Sie einen feuchten Kehricht an«, würde ich gerne sagen, stattdessen schüttele ich vehement den Kopf und beteuere: »Absolut sicher.« Und als sie noch immer nicht überzeugt zu sein scheint, füge ich mit einem entschuldigenden Achselzucken hinzu: »Ich hatte Gäste.«
    »Ja, das habe ich gehört«, kommt es vorwurfsvoll zurück.
    »Tut mir leid, das nächste Mal werden wir leiser sein«, verspreche ich, während meine Arme von den schweren Tüten immer länger werden. Wie meine Nase übrigens wahrscheinlich auch. »Ich muss leider los.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, flüchte ich die Stufen hinunter.
     
    Auf dem Weg zum Altglascontainer nehme ich mir ernsthaft vor, meinen Alkoholkonsum einzuschränken. Dreiundzwanzig Flaschen. Das ist eine Menge Wein. Zuviel Wein für eine kleine Person wie mich. Aber wer weiß, vielleicht werde ich ja bald sowieso keinen Alkohol mehr trinken dürfen. Auch wenn Gregor und ich noch nie über das Thema gesprochen haben, plötzlich wird mir klar, dass er der erste Mann ist, den ich mir als Vater meiner Kinder vorstellen könnte. Und in diesem Moment habe ich eine Vision von einem kleinen Mädchen mit blonden Locken und braunen Augen. Selig lächelnd biege ich in die Max-Brauer-Allee ein, als mich das Aufblinken einer Polizeikelle aus meinen Träumen reißt. Nur fünfzig Meter vor meinem Ziel hat sich ein Streifenwagen postiert. Mist! Sofort beginnt mein Herz, schneller zu schlagen. Ich weiß nicht, warum, aber ich werde immer schrecklich nervös, wenn ich von der Polizei angehalten werde. Auch wenn ich mir keiner Schuld bewusst bin, man weiß ja nie. Schließlich kontrolliere ich nicht jeden Tag sämtliche Glühbirnen an meinem Wagen. Während ich vorschriftsmäßig blinke und auf dem Seitenstreifen zu stehen komme, atme ich tief durch. Nur keine Panik. Es ist heller Vormittag, das letzte Glas Wein liegt über zwölf Stunden zurück, der TÜV ist noch nicht abgelaufen und angeschnallt bin ich auch.
    »Guten Tag. Allgemeine Verkehrskontrolle. Den Führerschein und die Fahrzeugpapiere einmal bitte.« Mit diesen Worten tritt eine schlanke, etwa vierzig Jahre alte Polizeibeamtin an mich heran. Nora Kinkel steht auf ihrer Brusttasche. Mit zitternden Fingern reiche ich ihr die gewünschten Papiere und lächele verkrampft, während sie diese mit strenger Miene prüft. In diesem Moment öffnet sich die Fahrertür des Polizeiwagens und ein hochgewachsener, dunkelhaariger Mann steigt aus. Das ist doch nicht … Das kann doch nicht wahr sein! Michael Lange. Mit ausladenden Schritten kommt er auf uns zu und stellt sich neben seine Kollegin. Herr Arschloch und Frau Pappnase, fährt es mir plötzlich durch den Kopf. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um das aufsteigende Kichern zu unterdrücken, als mich ein scharfer Blick trifft. Von unten herauf blicke ich Michael Lange mit Unschuldsmiene an, ohne mein Grinsen unter

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