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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Stimme mit stark nordischer Einfärbung zu meiner Linken.
    »Können Sie mir sagen, wo sie ist?« frage ich den etwa vierzigjährigen Mann, der, mit einer dunkelblauen Latzhose und schwarzem Shirt bekleidet, in der nebenliegenden Preisbude steht, die unbeschreiblich hässlichen, baumelnden Stofftiere von ihren Haken befreit und in eine überdimensionale Plastikkiste wirft.
    »Nein«, antwortet er kurz und wischt sich den Schweiß von der braun gebrannten Stirn. »Der Dom ist vorbei.«
    »Das weiß ich, aber ich muss unbedingt mit ihr sprechen. Es ist wirklich sehr wichtig«, sage ich eindringlich. Er grinst auf mich hinunter und entblößt sein Gebiss, in dem der linke, vordere Schneidezahn fehlt.
    »Hat sie Ihren Freund verhext und irgendwas ist schiefgegangen?«
    »Woher wissen Sie das«, frage ich erstaunt und gehe einen Schritt auf ihn zu. Er zuckt nur mit den Schultern.
    »Hab geraten.« Ein lilafarbiger Drache mit rosa Punkten fliegt durch die Luft und landet statt in der weißen Kiste, die mir bis an die Schultern reicht, mitten in meinem Arm. »Ups, tschuldigung.« Gerade will ich Fuchur zu seinen Leidensgenossen werfen, da lächelt mich der Schausteller erneut an und sagt: »Sie können ihn behalten, wenn Sie möchten.« Ich sehe in das Gesicht des Drachen mit den schiefen Kulleraugen und dem weitaufgerissenen Maul, aus dem eine überdimensionale, gelbe Zunge heraushängt. Ohne Zweifel ist er das hässlichste Kuscheltier, das ich je gesehen habe. Dennoch klemme ich ihn mir unter den Arm und sage:
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    »Bitte, wo kann ich Madame Thekla finden?« Er wendet sich seiner Arbeit zu, als hätte er meine Frage gar nicht gehört. »Es ist wirklich sehr wichtig«, versuche ich es erneut und presse Fuchur an mich, »können Sie mir nicht sagen, wo sie ist?«
    »Vermutlich reitet sie mit ihrem Hexenbesen zum Brocken, um ein wenig auszuspannen.«
    »Sehr witzig«, murmele ich und stehe noch ein paar Sekunden unschlüssig herum. Aber es sieht nicht so aus, als wollte der Mann sich noch um mich kümmern, er pflückt weiter Schlangen, Schweine, Drachen und Schildkröten von seinem Wagen und pfeift dabei vor sich hin. Hier komme ich nicht weiter. Ich werfe einen letzten Blick auf Madame Theklas Zauberstube und drehe mich dann auf dem Absatz um. Was soll’s? Ist doch sowieso alles Humbug!
    »Danke für den Drachen«, rufe ich dem Mann noch zu und trete mit hängenden Schultern den Heimweg an.
    »Hey, warten Sie«, ruft er mich zurück und ich sehe mich überrascht um. Da steht er, die Hände in die Hüften gestützt und sieht nachdenklich auf mich herunter, wobei sich seine blonden, buschigen Augenbrauen vor Anstrengung fast über der Nasenwurzel treffen. »Lassen Sie mir doch Ihre Adresse da«, schlägt er schließlich vor, »dann meldet sie sich bei Ihnen. Vielleicht«, setzt er noch warnend hinzu, als er mein Gesicht aufleuchten sieht.
    »Oh, vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen«, danke ich ihm überschwänglich und fummele einen Kugelschreiber aus meiner Handtasche hervor. Weil ich nichts anderes finde, kritzele ich meine Adresse und Telefonnummer auf die Rückseite eines alten Kassenbons vom Sparmarkt. »Sie retten mir vielleicht das Leben.«
    »Schon gut«, antwortet er fast verlegen, als ich ihm das leicht zerknitterte Papier in seine riesige, schwielige Hand lege. »Nun aber. Ich muss weitermachen.«
    »Natürlich. Ich danke Ihnen«, wiederhole ich und verlasse mit deutlich leichterem Herzen den Dom.
     
    Meine Euphorie hält leider nicht lange vor. Den ganzen Tag warte ich darauf, dass Madame Thekla sich bei mir meldet. Ja, ich erwarte ihren Anruf so sehnsüchtig, wie ich sonst nur den von Gregor erwarte. Als dieser mich stattdessen anruft, bin ich fast ein wenig enttäuscht. Nachdem er mir den Grund seines Anrufes mitteilt, bin ich definitiv enttäuscht.
    »Ich kann nicht zu dir kommen, Engel, Anna ist doch die ganze Zeit zu Hause. Was soll ich ihr denn sagen?«
    »Dass du eine andere Frau liebst und dass du dich von ihr trennen willst zum Beispiel.« Langsam komme ich mir schon vor wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat.
    »Das hatten wir doch schon«, kommt es genervt vom anderen Ende der Leitung.
    »Ja, ich weiß«, gebe ich patzig zurück, »du kannst niemanden treten, der schon am Boden liegt.«
    »Nein, das kann ich nicht«, beharrt er.
    »Und was ist mit mir? Denkst du vielleicht auch mal an mich?«, frage ich erbost. »Meinst du, für mich ist das einfach?«
    »Nein,

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