Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
Vom Netzwerk:
anzuecken, nicht gemocht zu werden. Loretta ist da ganz anders, ihr macht das glaube ich sogar Spaß, den Buhmann zu geben.
    »Dazu ist ein Anwalt da«, meint sie achselzuckend und grinst mich verschwörerisch an, »wir wollen schließlich nicht, dass Frau Brunke dich irgendwann nicht mehr mag und dir die besten Angebote vorenthält. Deshalb bist du immer schön nett und freundlich und wenn ich den Laden mal wieder in der Luft zerreiße oder bei Vertragsabschluss bis aufs Blut um jeden einzelnen gottverdammten Punkt kämpfe, kannst du lächelnd danebensitzen und sagen: ›Ich persönlich sehe das ja alles nicht so eng, aber, na ja, so sind die Anwälte‹.« Ich nicke nachdenklich und sie legt mir die Hand auf den Arm. »Das mit Gregor war genau richtig so«, wechselt sie abrupt das Thema und ich zucke ertappt zusammen. »Doch, mir ist schon klar, wo deine Gedanken die ganze Zeit sind.« Schuldbewusst lasse ich den Kopf hängen und sie streichelt mir über den Rücken: »Glaub mir, das ist die einzige Sprache, die Männer verstehen. Wenn du nicht langsam mal Klartext redest, dann gewöhnt er sich an die Situation und dann kriegst du ihn da nie raus.«
    »Du meinst …«
    »Genau, eine Geliebte in der Innenstadt, mit der er den Sex seines Lebens hat, und eine Ehefrau im beschaulichen Reihenhaus, die ihn bekocht, seine Wäsche macht und ihm ein Zuhause bereitet. Zumindest, wenn sie nicht gerade mit einem Schleudertrauma im Bett liegt.«
     
    Ich weiß, dass sie recht hat. Deshalb widerstehe ich der Versuchung, mich bei Gregor zu melden, obwohl es mich in den Fingern juckt. Nur abends im L’Auberge bin ich einigermaßen abgelenkt, ansonsten sitze ich den lieben langen Tag in meiner Wohnung und hoffe, dass Gregor anruft. Oder zumindest Madame Thekla. Aber mein Telefon bleibt stumm.
    Es ist Mittwochnachmittag, drei Uhr und der heutige Tag ist noch schlimmer als die anderen. Heute Abend habe ich nämlich frei. Ein schrecklicher Gedanke. Das heißt, ich werde solange hier vor meinem DVD-Player sitzen und Ally McBeal’s verkorkstem Liebesleben zusehen, bis ich müde genug bin, um ins Bett zu gehen. Was frühestens in zwölf Stunden der Fall sein wird. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi. Plötzlich klingelt es an der Tür. Gregor! Das Adrenalin, das mein Körper in diesem Moment ausschüttet, würde ausreichen, um eine Geburt schmerzfrei zu überstehen. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen und als ich aufspringe, kollabiere ich beinahe. Jetzt nur nicht ohnmächtig werden. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Dann renne ich zum Flur, drücke das Schlüsselzeichen auf meiner Gegensprechanlage und haste ins Badezimmer. Ich habe vier Stockwerke lang Zeit, mich für diesen Augenblick herzurichten. Für diesen Augenblick, auf den ich warte, seit Gregor mir von Anna erzählt hat. Ich mustere mich kritisch im Spiegel, fahre mit allen zehn Fingern durch meine blonden Haare, um sie ein wenig aufzulockern. Unter dem rechten Auge befinden sich Spuren von weggeweinter Wimperntusche. Sorgfältig entferne ich sie mit einem Q-Tip und umrande meine Lippen in einem zarten Rosenholzton. Gregor müsste mittlerweile im dritten Stock angekommen sein, als mir auffällt, dass die Tränenspur eigentlich etwas sehr Apartes an sich hatte. Die tragische Geliebte, die sich täglich die Augen ausweint vor Sehnsucht. Soll er ruhig merken, wie sehr ich gelitten habe. Wegen ihm. Kurzentschlossen drehe ich den Wasserhahn auf, befeuchte meinen Zeigefinger und lasse einen Tropfen durch meine getuschten Wimpern die Wange herunterlaufen. Sehr schön. In diesem Moment klopft es an meine Wohnungstür. Ich setze einen waidwunden Blick auf, öffne und … erstarre.
     
    »Wie kann man nur im vierten Stock wohnen?« Vor mir steht eine schnaufende, in einen geschmacklosen Regenmantel mit Leopardenmuster gehüllte Thekla. »Oh Gott, oh Gott, mein Herz«, keucht sie theatralisch. Na, was soll ich denn bitteschön erst sagen?
    »Ach, Sie sind es«, sage ich perplex und gebe mir gar nicht erst Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen.
    »Das ist ja eine nette Begrüßung. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie die Pferde scheu gemacht, um mit mir zu sprechen«, sagt sie noch immer atemlos und ich nicke.
    »Das stimmt.« Vorwurfsvoll schaut sie mich an:
    »Kann ich vielleicht erstmal reinkommen?«
    »Natürlich, Entschuldigung. Kommen Sie rein.« Während sie auf ihren ausgelatschten lila Pumps in meine Wohnung hineinwackelt, gesellt sich eine echte Träne zu der

Weitere Kostenlose Bücher