Zauberkusse
verschränkt die pummeligen Arme vor ihrem imposanten Busen, »ich sage es euch, Bismarck wusste bereits zu Kriegsbeginn 1870, dass er den deutsch-französischen Krieg gewinnen und die Gebiete Elsass und Lothringen in Folge dessen zurückerhalten würde. Und von wem wusste er das?«
»Von Ururgroßmutter Theodora«, antworten Loretta und ich im Chor und versenken unsere grinsenden Gesichter in unseren Gläsern.
»So ist es«, stellt Thekla befriedigt fest. In diesem Moment bringt Paolo drei weitere Prosecco und gleich darauf zweimal Penne al Pesto mit Kirschtomaten.
»Und für Sie, Signora?«, erkundigt er sich charmant bei Thekla, die unter seinem glühenden Blick dahinschmilzt wie Butter in der Sonne.
»Ich nehme dasselbe«, beschließt sie und lächelt ihn von unten herauf an: »Und ich war nie verheiratet.« Loretta und ich sehen einander an und beißen uns fast die Lippen blutig, um nicht laut loszuprusten. Paolo dagegen bleibt ganz ernsthaft.
»Penne al Pesto für die Signorina«, wiederholt er und zwinkert Thekla zu, die daraufhin tatsächlich leicht errötet.
»Der Vater von Willi sah genauso aus, als ich ihn damals kennengelernt habe, nur in blond«, schwärmt sie vor sich hin, während wir uns über die Nudeln hermachen.
Eine halbe Stunde später lehnen wir uns schwer atmend in unseren Stühlen zurück und halten uns die voll gestopften Nudelbäuche, während Paolo die dritte Runde Prosecco an unseren Tisch bringt.
»Bitte nicht, Richter Gröhn wird mich fertigmachen, wenn er meine Fahne riecht«, jammert Loretta halbherzig, reißt dann aber das Glas doch schnell an sich, als Thekla danach greift.
»Ich wollte ja bloß helfen«, meint diese schulterzuckend und beginnt, ihre Tarotkarten zu mischen. »Wie wäre es, ihr bezahlt mein Essen und dafür lege ich euch die Karten? Das ist ein unschlagbares Angebot, das ihr nicht ablehnen solltet.« Loretta lehnt dankend ab, aber ich halte das für einen guten Handel.
»Einverstanden.« Ich nippe an meinem Prosecco, während Thekla behände zehn Karten mit dem Bild nach unten auf dem Tisch auslegt und sie dann einzeln umdreht.
»Dies ist das Keltische Kreuz, das älteste bekannte Legebild, das einen umfassenden Einblick in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlaubt«, erklärt sie und starrt dann konzentriert vor sich hin. »Hmmm«, macht sie dabei. »Hmm, interessant. Ach nein, hmmm.«
»Hmmm, hmmm, was?«, frage ich schließlich, als ich die Spannung nicht mehr ertragen kann, doch sie wirft mir nur einen kurzen Blick aus ihren klaren, grauen Augen zu und vertieft sich wieder in die Karten.
»Ich sehe eine große Liebe. Und ich sehe einen Verrat. Einen großen Verrat. Etwas ist ganz anders, als es scheint.« Misstrauisch sehe ich auf das Kartengebilde vor mir. Ein Verrat? Und von wem? In diesem Moment dreht Thekla eine weitere Karte um und streicht sacht mit dem Finger darüber. Ich neige den Kopf ein wenig, um besser sehen zu können und verziehe das Gesicht.
»Das sieht aber nicht gut aus«, sage ich voller böser Vorahnung und sie nickt knapp. Ich betrachte den Turm auf der Karte, in den oben der Blitz eingeschlagen hat. Menschen stürzen kopfüber aus dem brennenden Gebäude. Wie schrecklich! Angstvoll sehe ich Thekla an, die nun fortfährt:
»Es geht um die Auflösung festgefahrener Situationen und die Erneuerung alter Gewohnheiten. Das wird nicht ohne schmerzliche Erfahrungen vor sich gehen.«
»Und ich dachte, ich hatte in der letzten Zeit genug Schmerzen für den Rest meines Lebens«, stöhne ich auf.
»Du neigst dazu, die Augen zu verschließen vor dem Offensichtlichen. Du kapselst dich ab und willst die Dinge alleine regeln, dabei steht in den Karten, dass du deine Freunde jetzt dringender denn je brauchst. Du bist nicht aufrichtig, dadurch kommt es zu Verwirrungen.« Ein kalter Schauer rieselt mir über den Rücken, als ich Theklas Ausführungen lausche und mit einem schuldbewussten Blick sehe ich zu Loretta hinüber, die ganz entspannt in ihrem Stuhl sitzt und ihr Proseccoglas hin- und herdreht. »Dann wollen wir uns doch mal das Endergebnis ansehen«, meint Thekla und dreht ganz langsam die Karte oben rechts herum. Ein Skelett in schwarzer Ritterrüstung auf einem weißen Pferd, unter dessen Hufen reglos ein menschlicher Körper liegt. Die drei schwarzen Buchstaben springen mir ins Auge und ich schreie entsetzt auf, sodass Loretta zusammenzuckt.
»Was ist denn?«, fragt sie beunruhigt und wirft nun ebenfalls einen Blick auf die
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